Was tun?

Kommentar zur Programmatik des 38. Parteitages der KPÖ

Gastautor: Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i.R. für Geschichte an der Universität Innsbruck.

Vor 120 Jahren hat Wladimir Iljitsch Lenin in seinem Artikel „Womit beginnen?“ drei Grundfragen der Organisation der russischen Sozialdemokratie erörtert, um deren Weg hin zu einer revolutionären Partei zu fördern. Im Zentrum seiner Überlegungen stehen Charakter und Hauptinhalt der politischen Agitation, die organisatorischen Aufgaben und der Ansatz für die Bewältigung von möglichst breiten Ansätzen dazu. Inhaltlich präzisiert und erweitert hat Lenin diese ihn intensiv beschäftigende Problemstellung in seiner 1902 veröffentlichten Schrift „Was tun?“, die dem Ziel gewidmet ist, eine Partei neuen Typus mit einer revolutionären Theorie zu schaffen. Denn: „Ohne revolutionäre Theorie kann es auch keine revolutionäre Bewegung geben“. Lenins grundlegende Schrift übte starken Einfluss auf die russischen Aktivisten aus. Lenin ist gewiss eine historische Ausnahmepersönlichkeit. Albert Einstein, der sich für die Verwirklichung der Menschenrechte weltweit eingesetzt hat, hat ihn als einen Mann verehrt, „der seine ganze Kraft unter völliger Aufopferung seiner Person für die Realisierung sozialer Gerechtigkeit eingesetzt hat. Seine Methode halte ich nicht für zweckmäßig. Aber eines ist sicher: Männer wie er sind die Hüter und Erneuerer des Gewissens der Menschheit“.

Im Februar 1913 schreibt Lenin aus „Krakau, Österreich“ an Maksim Gorki, gerade bei der außerparlamentarischen Arbeit könne man „eine echte Arbeiterpartei zusammenschweißen“, zusammen mit den Arbeitern werde man den „österreichischen Geist“ dort nicht hineinlassen. Diese eher randständige Bemerkung verweist auf die Funktion der österreichischen Sozialdemokratie, deren Führungspersonal sich schon vor Ausbruch des Weltkrieges mit den imperialistischen Kräften in der Monarchie arrangiert hat. Mit dem „österreichischen Geist“ des Lavierens haben die internationalistischen und revolutionären Kräfte der Arbeiterbewegung in Österreich mit der am 3. November 1918 gegründeten Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) gebrochen. Wie stellt sich diese heute in Wien dar?

Auf ihrem Parteitag am 20. Juni 2021 in Wien-Liesing hat die in Wien übrig gebliebene KPÖ unter der Losung „Was tun!“ (also mit Ausrufezeichen) den in die Pension verabschiedeten Parteigranden Walter Baier, Michael Graber oder Mirko Messner repräsentierten „Wiener Geist“ als Wegweisung für die Zukunft niedergeschrieben. Mit dem Begriff „Solidarische Gesellschaft“ werde man schließlich zur erhofften Transformation des „kapitalistischen, patriarchalen Systems“ gelangen. „Das Wort wird zur Vokabel, Um sinnlos zu verhallen“ findet sich im letzten Vers des Gedichtes „Turm von Babel“ des Poeten Johannes R. Becher. Völlig ignoriert werden von der KPÖ Wien bei allem moralisierenden Geschwurbel die herrschenden kapitalistischen Eigentumsverhältnisse sowie die daraus resultierenden antagonistischen Klasseninteressen, obschon die Gewalt des Reichtums gegenüber den Armen die größte Gewalt der Gegenwart ist. Die Ideologie des sich immer noch „KPÖ“ nennenden politisierenden Wiener Zirkels wurde ihr von der Fokolare Connection des Walter Baier als sein Vorlass untergejubelt. Fokolare (Herdfeuer) ist als „Werk Mariens“ wie opus dei eine sich weltweit ausbreitende antikommunistische Gemeinschaft des politischen Katholizismus. Deren Gründerin Chiara Lubich (1920–2008) wird mit ihrer „Privatoffenbarung“ als Ikone von Auserwählten angeboten. Die Fokolare war massiv daran beteiligt, die sozialistischen Länder im Interesse der Restauration der kapitalistischen Verhältnisse ideologisch zu unterwandern. Was für ein Unterschied zur „Option für die Armen“ der Befreiungstheologen, welche die die Notwendigkeit begründen, wenn notwendig, mit befreiender Gewalt die Entmachtung des Reichtums durchzusetzen. Oft müssen diese wahrhaften Nachfolger von Jesus den „Preis der Gerechtigkeit“ für ihren ehrlichen Einsatz für Gerechtigkeit zahlen!

Im September 2021 trifft sich die Fokolare mit jenem in Innsbruck lehrenden deutschen Universitätstheologen, welcher sowohl die Befreiungstheologie wie den Marxismus als „mausetot“ erklärt hat. Walter Baier ist mit seiner „Weltanschauung“ als Vorzeigegast eingeladen, die Wiener KPÖ hat diese Anerkennung wahrlich verdient. 

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