Die um ein Jahr verschobene Retrospektive wird von 15. Dezember 2021 bis 19. Juni 2022 in der MAK-Ausstellungshalle gezeigt.
Wien. Mit der bisher umfassendsten Retrospektive zu seinem Gesamtwerk würdigt das Museum für angewandte Kunst (MAK) das eindrucksvolle Schaffen des Architekten, Designers, Lehrers, Ausstellungsmachers und Mitbegründers der Wiener Werkstätte Josef Hoffmann (1870–1956). Die ursprünglich anlässlich des 150. Geburtstags von Josef Hoffmann ab Dezember 2020 geplante Ausstellung wurde aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben und wird nun von 15. Dezember 2021 bis 19. Juni 2022 in der MAK-Ausstellungshalle gezeigt. Hoffmann kultivierte ein exemplarisches Modell moderner Lebensweisen und legte den Fokus auf Ästhetik und Schönheit als zentrale Parameter moderner Gestaltung. Die Ausstellung „JOSEF HOFFMANN. Fortschritt durch Schönheit“ lässt das nahezu 60-jährige Schaffen des einflussreichen globalen Pioniers in Architektur und Design um 1900 in all seinen Facetten Revue passieren und bereichert die systematische Erforschung und Vermittlung seines Vermächtnisses.
Zentrale Figur der Wiener Moderne
Mit einer anfänglich puristischen Designsprache hat sich Josef Hoffmann als eine der zentralen Figuren in die Wiener Moderne eingeschrieben. Durch sein Ideal des Gesamtkunstwerks und herausragende Bauten, darunter das zum UNESCO-Welterbe zählende Palais Stoclet in Brüssel (1905–1911), hat er national wie international Spuren hinterlassen. Obwohl der Allgestalter in allen wichtigen Ausstellungen zur Wiener Moderne vertreten war, ist sein Werk bis dato nur in Teilbereichen lückenlos aufgearbeitet.
Das Kuratorenteam der Ausstellung – Matthias Boeckl, Rainald Franz und Christian Witt-Dörring – hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf Basis zum Teil unbekannter Quellen und der Aktualisierung des Werkverzeichnisses bestehende Forschungslücken zu schließen. Die Wahrnehmung von Hoffmanns Schaffen als Architekt und Designer sei im Hinblick auf die bisher verwendeten Quellen unvollständig, hinsichtlich gestalterischer Aspekte vereinfacht und hinsichtlich des geografischen und historischen Wirkungskreises begrenzt, so die Kuratoren.
Architekt für das „Rote Wien“
In 20 Kapiteln nähert sich die Ausstellung „JOSEF HOFFMANN. Fortschritt durch Schönheit“ mit mehr als 1 000 Exponaten seinem gewaltigen Lebenswerk, das sämtliche Aspekte des täglichen Lebens wie Architektur, Innenraumgestaltung, Mode sowie Gebrauchsgegenstände umfasst. Der ursprünglich aus wohlhabendem, gutbürgerlichem Haus in Brtnice, Tschechien, stammende Hoffmann erlebte fünf verschiedene politische Regime, von der Habsburgermonarchie bis zur Zweiten Republik Österreich. Er galt als Geschmacks- und Identitätsstifter und pflegte als langjähriger Lehrer, einflussreicher Kunstgewerbedesigner und Mitbegründer der Wiener Secession, der Wiener Werkstätte sowie des Werkbunds ein beispielhaftes modernes Lebensmodell. In seinem Pionierdenken vereinte er einen künstlerisch ambitionierten architektonischen Ansatz mit einer handwerklich geprägten Produktkultur. Für das „Rote Wien“ plante Hoffmann den Anton-Hölzl-Hof, den Klosehof und wirkte am Winarskyhof und bei der Werkbundsiedlung mit.
Politische Verirrungen nicht verschweigen
Die Ausstellung spannt einen lückenlosen Bogen von seiner Jugend und dem Studium an der Wiener Akademie der bildenden Künste bis zu seinem Tod 1956. Der Schwerpunkt liegt auf dem bis heute anhaltenden Einfluss seiner Werke auf Architektur, Kunstgewerbe und Design, ausgehend von seinen prominentesten Projekten und Bauten: dem Sanatorium Westend in Purkersdorf (1904/05), dem Palais Stoclet in Brüssel (1905–1911), der Wiener Kunstschau (1908), dem österreichischen Pavillon für die Werkbundausstellung in Köln (1914), dem Pariser Pavillon für die „Exposition internationale des Arts décoratifs et industriels modernes“ (1925), der Werkbundsiedlung in Wien (1931) und dem Pavillon für die Biennale in Venedig (1934). Eine multimediale Zeitleiste führt die Besucher*innen durch Hoffmanns Leben und verweist auf vergessene Projekte und Texte.
Während des Ständestaates wurde Hoffmann mit Aufträgen und Ehrungen überhäuft, im Nationalsozialismus blieb er deshalb eher unterbeschäftigt. Nach kurzer „Entnazifizierung“ – Hoffmann hatte eine Reihe antisemitischer Artikel in der NS-Presse veröffentlicht – erhielt Hoffmann nach 1948 wiederum mehrere Aufträge für Gemeindewohnbauten. Spannend wird sein, ob die Ausstellungsmacher auch diese politischen Verirrungen Hofmanns thematisieren werden, denn diese sollten in einer Gesamtschau seines Lebens und Werks nicht verschwiegen werden.
Quellen: MAK/OTS/Das rote Wien