Bei den Wahlen in Nicaragua werden Präsident Ortega und seine FSLN bestätigt. Obwohl ihnen längst die revolutionären Giftzähne ausgefallen sind, gehen die USA und die EU auf Konfrontationskurs.
Managua. Nach den allgemeinen Wahlen in Nicaragua bleiben die linke Sandinistische Nationale Befreiungsfront (FSLN) und Präsident Daniel Ortega an der Macht. Gemäß den bisherigen Angaben der Wahlkommission dürften recht deutliche Ergebnisse vorliegen. Bei der Präsidentschaftswahl setzte sich Amtsinhaber und FSLN-Vorsitzender Daniel Ortega mit 74,99 Prozent der Stimmen durch, auf Platz zwei folgte mit 14,40 Prozent Walter Espinoza von der Liberal-Konstitutionellen Partei (PLC), deren Wurzeln in der Somoza-Diktatur liegen. Alle anderen Kandidaten der zersplitterten antisandinistischen Opposition blieben unter Stimmenanteilen von vier Prozent. Damit fügt der seit 2007 amtierende Ortega, der in wenigen Tagen seinen 76. Geburtstag feiert, seiner Präsidentschaft eine weitere Periode hinzu, die bis 2027 reichen soll.
Bei der gleichzeitig stattfindenden Wahl zur Nationalversammlung ist das Mandatszuteilungssystem etwas komplizierter, doch auch hier dürfte sich eine klare Mehrheit für die FSLN abzeichnen. Bislang, d.h. seit den Wahlen von 2016, hielten die Sandinisten 70 von 90 Parlamentssitzen – diesmal scheint es ähnlich zu sein. Die Zweidrittelmehrheit wird gewiss erreicht werden. Somit liegen alle Mittel der Legislative und Exekutive in der Hand der ehemaligen revolutionären Guerillaorganisation, die sich inzwischen freilich in eine Art national-sozialdemokratische Partei verwandelt hat, deren Ideologie, Ausrichtung und Praxis längst nicht mehr den hohen (und falschen) Erwartungen entsprechen, die man in der europäischen Linken einst in sie setzte. Es ist schwer vorstellbar, dass Ortega noch fähig und willens ist, eine nachhaltige Perspektive zu bieten.
Von der revolutionären Guerilla in die Kapitalismusverwaltung
Die Geschichte der 1961 gegründeten FSLN reicht zurück in den bewaffneten Kampf gegen die Somoza-Diktatur, die 1979 gestürzt werden konnte. Die folgende sandinistische „Revolution“ war inkonsequenter Weise freilich keine sozialistische, führte in den 1980er Jahren aber engagierte soziale Reformen in Nicaragua durch – schon damals war Daniel Ortega die Führungsfigur, ab 1985 erstmals als Präsident. Das antiimperialistische und antioligarchische, aber auch zugunsten der Bauern, der Frauen und der Indigenen umgesetzte Programm brachte wiederum den US-Imperialismus auf den Plan: Die Reagan-Administration initiierte einerseits einen Wirtschaftskrieg, andererseits finanzierte und bewaffnete sie die paramilitärischen „Contras“-Banden, die das Land mit Terror überzogen. Als Konsequenz der Destabilisierung, aber auch der Unzulänglichkeit des eigenen Reformismus der FSLN verlor diese die Wahlen von 1990 und kehrte eben erst 2006/07 an die Macht zurück.
Obwohl die heutige FSLN wahrlich keine Gefahr für den Kapitalismus darstellt, kann sich der Imperialismus dennoch nicht mit ihr und Ortega abfinden. Sowohl die USA als auch die EU erklärten bereits per Ferndiagnose, dass die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Nicaragua undemokratisch und gefälscht wären. In Washington und Brüssel ist man nicht bereit, das nunmehrige Ergebnis anzuerkennen: Bestimmt wird man bald wieder „Proteste“ organisieren. Man wird erst zufrieden sein, wenn der nordamerikanische und europäische Imperialismus wieder vollen Zugriff auf die Ressourcen des Landes erhält, womit man gleichzeitig auch die – mehr oder minder – progressiveren Kräfte Lateinamerikas sowie den Einfluss Russlands eindämmen möchte.
Quelle: Kurier