HomePanorama„Weihnachtsruhe“ und Sonntagsöffnung statt demokratischer Rechte?

„Weihnachtsruhe“ und Sonntagsöffnung statt demokratischer Rechte?

Wie Staat und Kapital die Anti-Corona-Demos stärken

Wien. Die Impfgegner-Partei MFG rief zu Demonstrationen bzw. „Spaziergängen“ in mehreren österreichischen Städten auf, darunter auch zu einer Standkundgebung am Wiener Schwarzenbergplatz. Als mehrere Hunderte in Richtung Innenstadt marschieren wollten, kam es zu tumultartigen Szenen, als Polizeisperren durchgebrochen wurden und die Polizei nicht willens war, die Demonstrationen unter Kontrolle zu bringen, was von mehreren politischen Kräften heftig kritisiert wird.

Weitgehend ausgeblendet wurde – auch von einigen linken Stimmen – dass die gescheiterte ÖVP-Grünen-Regierung gemeinsam mit der Wirtschaftskammer und Polizei die Vorlage für diese politische Eskalation gelegt hat. Im Vorfeld wurde angekündigt, dass Demonstrationen am letzten Adventswochenende erst ab 18 Uhr genehmigt würden. Der Sprecher der Wiener Polizei Markus Dittrich rechtfertigte diesen Schritt damit, dass man das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gegen das Grundrecht der Handelstreibenden auf Erwerbsfreiheit abgewägt werden müsse. Der Generalsekretär des Wirtschaftsbundes, Kurt Egger, forderte Tage vor der letzten Adventswoche gar ein faktisches Demonstrationsverbot, damit die Einkaufswoche nicht gestört werde. Diese „Weihnachtsruhe“, wie Egger sie nannte, hätte auch Tourismuszonen inkludieren sollen. Gesagt, getan: Die Polizei kündigte an, den Interessen des Handels in besonderer Weise nachzukommen, wie es Polizeisprecher Dittrich sinngemäß ausdrückte.

Staat und Kapital haben innerhalb kürzester Zeit ein faktisches Demonstrationsverbot erlassen, was ein ungeheurer Angriff auf die demokratischen Rechte des Volkes ist. Es bestätigt einmal mehr, dass das Kapital und seine Regierung alles daran setzen, um die wirtschaftlichen Interessen durchzupeitschen. Garniert wird dieser autoritäre Angriff mit der Sonntagsöffnung, der von ÖGB, WKO und der Regierung durchgepeitscht wurde, um wirtschaftliche Ausfälle im Lockdown auf dem Rücken der Handelsangestellten zu kompensieren. Die Beschäftigten im Handel werden nämlich nichts von den Mehreinnahmen von diesem polizeistaatlich geschützten Einkaufswochenende haben, außer Brotkrumen bei den nächsten KV-Verhandlungen, welche jener ÖGB aushandelt, der für den schlechten Abschluss und die Sonntagsöffnung mitverantwortlich ist.

In diesem Klima der Wut der Massen auf die bürgerlichen Parteien und einer Spaltung der Arbeiterklasse anhand der „Impffrage“ war es klar, dass diese diffuse Anti-Corona-Bewegung eskalieren würde. Ebenfalls Tage vor den erwarteten Wochenenddemonstrationen provozierte Verfassungsministerin Edtstadler (ÖVP) mit Aussagen, wonach es legitim sei, Ungeimpften die Wohnung und den Arbeitsplatz zu kündigen. Ein perfides Spiel, denn die Regierung schürt bewusst existenzielle Ängste und signalisiert damit, dass Arbeits- und Sozialrechte im Windschatten der angeblichen Pandmiebekämpfung für gewisse Teile des Volkes aufgehoben werden können. Diese spalterische Rhetorik, die Angriffe auf Arbeitsrechte und die Versammlungsfreiheit sind verknüpft mit einem epidemiologisch wirklungslosen „Lockdown für Ungeimpfte“. Alles das liefert das Programm, an dem sich die FPÖ, die MFG und gewisse rechtsextreme Kräfte mit ihrer Demagogie weiter aufbauen. Dabei ist es genau diese FPÖ, die so vorlaut kritisiert, dass die Kapazitäten in den Spitälern nicht ausgebaut wurden, die noch 2019 Kürzungen von Akut-Betten forderte.

Alle diejenigen, die ein stärkeres Durchgreifen der Polizei gegen diese Demonstrationen bis hin zu einem Verbot fordern, die Ungeimpften praktisch alle Arbeits- und Sozialrechte entziehen wollen, verkennen, dass im Falle fortschrittlicher Massenbewegungen der Staat genau dieselben Mittel – und wahrscheinlich noch aggressiver – durchsetzen würde. Die Erfahrungen in mehreren Ländern wie Spanien, Griechenland und Italien, welche ähnliche antidemokratischen Angriffe in der Pandemie durchsetzten, zeigen, dass staatlicher Bonapartismus der Feind jeder fortschrittlichen Bewegung ist.

Quelle: Kurier/Der Standard/Krone/Moment

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