Dutzende Schülerinnen wurden in mehreren Provinzen mit Vergiftungssymptomen ins Krankenhaus eingeliefert. Die grausamen Anschläge sind mit großer Wahrscheinlichkeit politisch und religiös motiviert.
Teheran. Iranischen Medienberichten zufolge wurden erschreckend viele Schülerinnen in den Provinzen Hamedan, Zanjan, West-Aserbaidschan, Fars und Alborz ins Krankenhaus eingeliefert. Der Verdacht auf Vergiftung steht im Raum sowie der Verdacht, dass die aktuellen Anschläge politisch motiviert sind und auf eine Sabotage von Schulbildung für Mädchen abzielt.
Die Serie von mutmaßlichen Vergiftungen kommt nun fünf Monate nach Beginn der landesweiten Proteste infolge des Todes der 22-jährigen iranischen Kurdin Mahsa Amini, die wegen eines angeblichen Verstoßes gegen strenge Bekleidungsvorschriften für Frauen verhaftet worden war.
Hunderte Fälle von Atemnot
In den letzten Monaten wurden Hunderte von Fällen von Atemnot bei Schulmädchen gemeldet, vor allem in der Stadt Ghom südlich von Teheran. Viele mussten deswegen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Nachrichtenagenturen berichteten am Samstag über weitere Vorfälle in fünf Provinzen des Landes, bei denen viele Schülerinnen in die örtlichen Spitäler eingewiesen werden mussten. Reuters berichtete wiederum, dass am Samstag mehr als 30 Schulen in mindestens 10 der 31 iranischen Provinzen von der Krankheit betroffen waren.
Am Freitag verkündete Präsident Ebrahim Raisi, die mutmaßlichen Vergiftungsfälle seien „eine Verschwörung des Feindes, um Angst und Verzweiflung in der Bevölkerung zu erzeugen“. Das Innenministerium berichtete, dass Ermittler „verdächtige Proben“ gefunden hätten:
„Bei Untersuchungen vor Ort wurden verdächtige Proben gefunden, die nun untersucht werden, um die Ursachen für die Krankheit der Schüler zu ermitteln. Die Ergebnisse werden so bald wie möglich veröffentlicht“, sagte der Minister Abdolreza Rahmani Fazli in einer Pressemitteilung.
Unabhängig davon sagte Reza Karimi Saleh, stellvertretender Gouverneur des Vororts Pardis, dass ein Tankwagen, der neben einer Schule in einem Vorort von Teheran gefunden wurde und der auch in zwei anderen Städten gesichtet wurde, wahrscheinlich in die Vergiftungen verwickelt war. Die Behörden hätten den Tankwagen beschlagnahmt und den Fahrer verhaftet, sagte der Gouverneur. Er behauptete, derselbe Tankwagen sei auch in Ghom und Borudscherd in der Provinz Luristan im Westen Irans gewesen, wo ebenfalls Schülerinnen vergiftet wurden.
„Wachen auf einem Parkplatz, auf dem der Tankwagen geparkt war, erlitten ebenfalls Vergiftungen“, sagte Saleh und bezog sich dabei auf den Standort Pardis.
Keine Bildung für Frauen
Letzte Woche erklärte der stellvertretende iranische Gesundheitsminister Younes Panahi, dass die Anschläge wohl darauf abzielten, Bildung für Mädchen zu sabotieren. Einige Politiker vermuteten ebenfalls, dass die Schülerinnen das Ziel von religiösen Gruppierungen geworden sein könnten, die sich gegen die Bildung von Mädchen äußern. Dorsa Jabbari (Al Jazeera), berichtete aus Teheran, dass viele Eltern ihre Töchter zu Hause behalten würden, „bis die Behörden eine Antwort geben“. Sie fügte hinzu, dass die meisten Schulen über Sicherheitskameras verfügten, die die Fälle eigentlich aufklären sollten:
„Wir wissen, dass die meisten [staatlichen Schulen] über Sicherheitskameras außerhalb und innerhalb der Einrichtungen verfügen. Die Frage ist nun, warum die Behörden in diesen Fällen keine Hinweise finden konnten. Dies ist alarmierend in einem Land, in dem Frauen eine der höchsten Alphabetisierungsraten im Nahen Osten haben. Über 95 Prozent der Frauen im Iran sind gebildet, und dies ist sicherlich ein neues Phänomen,“ so Jabbari.