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Arbeitslosengeld: Wer fordert mehr?

Kommentar von Otto Bruckner, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs

Dieser Tage fand in Wien eine Kundgebung verschiedener linker Gruppierungen statt, die zum Ziel hatte, das Arbeitslosengeld auf 80 Prozent des letzten Einkommens zu erhöhen. Bereits früher hatten Arbeiterkammer, Österreichischer Gewerkschaftsbund und die SPÖ eine Erhöhung auf 70% gefordert. Die SPÖ brachte diese Forderung auch ins Parlament und scheiterte dort damit. No na, könnte man sagen. Die Kräfteverhältnisse im Parlament sind heute eben so, dass kein SPÖ-Antrag beschlossen wird. Auch wenn die Grünen eine solche Forderung gut finden, werden sie schon aus Koalitionsräson nicht dafür stimmen. Die SPÖ-Aufregung darüber ist übrigens ein wenig lächerlich, denn auch sie hat jahrzehntelang niemals gegen den Koalitionspartner ÖVP gestimmt.

Arbeitslosenversicherung wäre eine Erfolgsgeschichte

Aber zurück zum Arbeitslosengeld: Derzeit beträgt die „Nettoersatzrate“ 55 Prozent. Dazu ist zu sagen, dass die Darstellung in der öffentlichen Diskussion, dass der Arbeitslosengeldbezug praktisch ein staatliches Almosen wäre, völlig falsch ist. Denn es gibt die Arbeitslosenversicherung, und die funktioniert, wie die Krankenversicherung auch, nach dem Solidarprinzip. Das heißt, dass alle gemeinsam dafür vorsorgen, dass diejenigen versorgt werden, die es brauchen. Nehmen wir als Beispiel einen Arbeiter, der monatlich 2.000 Euro brutto verdient, das sind netto etwa 1.500 Euro. Er zahlt monatlich (Beiträge der Dienstgeber und Dienstnehmer zusammengerechnet) 6% seines Bruttoeinkommens in die Arbeitslosenversicherung ein, das sind ca. 120 Euro. In einem Jahr kommen so etwa 1.500 Euro zusammen, in zehn Jahren 15.000 Euro, in 20 Jahren 30.000 Euro. Wird der betreffende Kollege arbeitslos, gebührt ihm ein Arbeitslosengeld von etwa 825 Euro monatlich, und das für maximal ein Jahr, das heißt, es werden ihm maximal 10.000 Euro ausbezahlt. Bei 20 Arbeitsjahren hat er nun um 20.000 Euro mehr einbezahlt, als er ausbezahlt bekam. Das kommt natürlich auch Kolleginnen und Kollegen zugute, die noch nicht so viele Arbeitsjahre haben, es kommt aber vor allem auch Förderungen an die Unternehmer unter den verschiedensten Titeln zugute. Auch die Kurzarbeit wird aus dem AMS-Budget bezahlt. Der Staat muss erst dann zuschießen, wenn es sich nicht ausgeht. Wäre das AMS-Budget nicht mit allen möglichen Ausgaben für die Unternehmer belastet, würde es sich in Zeiten hoher Beschäftigung auf jeden Fall ausgehen, und es könnten auch noch Rücklagen für schlechtere Jahre geschaffen werden, was auch geschieht. Diese Rücklagen sind aber jetzt zum Beispiel schon verbraucht. Finanzielle Probleme bekommt die Arbeitslosenversicherung also erst durch die Aufgaben, die ihr vom Staat aufgezwungen werden. Ansonsten wäre sie eine Erfolgsgeschichte.

Ohne Kampfmaßnahmen keine Fortschritte

Nachdem es eine Solidargemeinschaft ist, sollte man meinen, dass die Selbstverwaltung der Arbeitslosenversicherung darüber bestimmt, was dort geschieht. Dem ist aber nicht so. Es reden die Unternehmer mit, und die Oberaufsicht hat das zuständige Ministerium. Beschlüsse über wichtige Fragen, wie die Höhe des Arbeitslosengeldes, werden im Parlament gefasst. Nun ist also die SPÖ mit ihrem Antrag der Erhöhung auf 70% gescheitert, was nicht weiter überraschend ist. Was macht aber der ÖGB, was machen die SPÖ und die AK weiter? Nichts! Die Pflichtübung ist absolviert. Dabei sollte der ÖGB aus seiner Geschichte wissen, dass nichts ohne Kampf erreicht wird. Weiß er auch, aber er handelt nicht danach. Denn die ÖGB-Granden klammern sich immer noch an die „Sozialpartnerschaft“, in der sie sich auf gleicher Augenhöhe mit den Konzernherren wähnen. Das funktioniert aber nur noch, wenn sich die Konzernherren bücken, um dem am Boden liegenden ÖGB in die Augen zu schauen.

Demonstrationen müssten vor der Titanic am Wiener Handelskai stattfinden

Zurück zu den Forderungen: Ist es nun sinnvoll, dass linke Organisationen sich in der Forderungshöhe überbieten? Die einen fordern 70%, die anderen 80% und als nächstes kommt dann sicher eine trotzkistische Sekte und fordert 90%. Das ist ein wenig unsinnig. Die Demonstrationen müssten eigentlich vor der Titanic am Wiener Handelskai stattfinden (der ÖGB nennt seine Zentrale dort „Katamaran“). Denn ohne Massenmobilisierung wird gar nichts passieren. Wenn also auch nur der Funken einer Chance bestehen soll, dass sich etwas ändert, dann nur durch Kampfmaßnahmen, und die sind unter den gegenwärtigen Verhältnissen vom ÖGB nicht zu erwarten. Ein „Wer fordert mehr?“ bringt da niemandem etwas, denn wir sind von der Erhöhung des Arbeitslosengeldes auch nur um 1% meilenweit entfernt, solange die Kräfteverhältnisse so sind, wie sie sind.

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