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Ist Lena Schilling Kommunistin?

Die künftige Spitzenkandidatin der Grünen für das EU-Parlament hat überraschenderweise zwei kommunistische Revolutionärinnen als Vorbild. Und das, obwohl ihre politischen Vorstellungen rein gar nichts mit dem zu tun haben, was Zetkin und Luxemburg vertraten.

Wien. Wie uns Der Standard wissen lässt, zählt die designierte Spitzenkandidatin der Grünen für die EU-Wahl, Lena Schilling, die deutschen Revolutionärinnen Clara Zetkin und Rosa Luxemburg zu ihren Vorbildern. Ist sie gar Kommunistin? 

Ihre Aussagen in betreffendem Interview lassen nicht darauf schließen. Zu der von ihr vermuteten Rolle des EU-Parlaments und der künftigen Rolle ihrer Person dort sagt sie zum Beispiel: „…ich glaube, das EU-Parlament ist genau der Ort, wo man hin muss. Dort, wo die großen Hebel liegen, um dort mal ein bissl Wirbel reinzubringen“. Im EU-Parlament sollen große Hebel liegen? Wofür denn? Das sogenannte Europäische Parlament ist weit davon entfernt, ein Instrument der Herrschaft der Völker Europas zu sein, es verdient nicht einmal die Bezeichnung Parlament, weil es keine alleinigen Legislativbefugnisse hat. Es kann zwar über x und y abstimmen, konkrete Auswirkungen hat das aber selten. „Bei der Annahme der Rechtsakte wird zwischen dem ordentlichen Legislativverfahren (die Mitentscheidung), bei dem das Parlament mit dem Rat gleichberechtigt ist, und den besonderen Legislativverfahren unterschieden, die nur für besondere Fälle gelten und bei denen dem Parlament nach wie vor nur eine konsultative Rolle zukommt“ heißt es dazu auf der offiziellen Seite des Europäischen Parlaments. Eine Befugnis, Gesetze und Verordnungen eigenständig zu beschließen hat das EU-Parlament also gar keine. Es ist in einigen Fällen gleichberechtigt mit dem Rat der Staats- und Regierungschefs, in anderen hat sie nur eine „konsultative Rolle“, was soviel heißt, wie dass es zwar eine Meinung zu Gesetzestexten abgeben kann, diese aber vollkommen irrelevant ist. 

Ein „bissl Wirbel“ vor 650 leeren Sesseln

Dort, in dieser aufgeblasenen, machtlosen und scheindemokratischen Institution will Lena Schilling nun also „ein bissl Wirbel reinbringen“. Sie soll sich einmal Aufnahmen von Sitzungen des EP ansehen: Ihren Wirbel kann sie im Plenum dieses grandios-machtlosen Parlaments vor etwa 650 leeren Sesseln und ein paar Dutzend Zuhörern veranstalten.

Dass es der Spitzenkandidatin der Grünen in spe nicht an Anmaßung mangelt, beweist sie mit diesem Satz: „Ich habe mir im Vorfeld die Unterstützung von der Klimabewegung geholt“. Was soll dass heißen? Vertritt sie jetzt „die Klimabewegung“ als Politikerin der Grünen? Da werden sich einige schön bedanken. Denn die Grünen als Regierungspartei setzen so gut wie nichts von dem um, was die Klimabewegung fordert, und haben dort bei Vielen ein schlechtes Ansehen.

Rosa Luxemburg über Demokratie, die kein Volksbetrug ist

Aber zurück zu den Vorbildern, die von der jungen Kandidatin genannt werden. Die eine, Rosa Luxemburg, wird heutzutage gerne für dies und das, ja sogar für sozialdemokratische Kapitulationspolitik gegenüber dem Kapital, die sie hasste wie die Pest, vereinnahmt. Dabei war Rosa eine Kommunistin und glühende Verfechterin der sozialistischen Revolution. In ihrem Entwurf für ein Programm des Spartakusbundes schreibt sie zur Rolle bürgerlich-kapitalistischer Parlamente: „Eine solche Ausrüstung der kompakten arbeitenden Volksmasse mit der ganzen politischen Macht für die Aufgaben der Revolution, das ist die Diktatur des Proletariats und deshalb die wahre Demokratie. Nicht wo der Lohnsklave neben dem Kapitalisten, der Landproletarier neben dem Junker in verlogener Gleichheit sitzen, um über ihre Lebensfragen parlamentarisch zu debattieren, dort, wo die millionenköpfige Proletariermasse die ganze Staatsgewalt mit ihrer schwieligen Faust ergreift, um sie, wie der Gott Thor seinen Hammer, den herrschenden Klassen aufs Haupt zu schmettern: dort allein ist die Demokratie, die kein Volksbetrug ist“.

Clara Zetkins Warnung vor bürgerlichem Idealismus

Auch Clara Zetkin hat es nicht verdient, als Vorbild für eine schwammig-nichtssagende Agenda einer jungen Karrieristin herzuhalten. Lassen wir Zetkin der Jungpolitikerin Lena Schilling einen Rat mit auf den Weg geben, den sie sicher nicht beherzigen wird: „Mit guten Absichten, mit schönen Gefühlen, hat man noch keine neue Gesellschaft gezimmert; sie erweisen sich als brüchiger Schiefer, welcher zersplittert, wenn die wirtschaftlichen Tatsachen, die Geldsack-Interessen an sie herantreten. Nur die klare Erkenntnis ist der Granit, auf welchen das Proletariat rechnen kann, um die Kirche der Zukunft darauf zu bauen.“ Es war das Jahr 1896, als Zetkin diese Worte auf dem Gothaer Parteitag der deutschen Sozialdemokratie sprach. Im Jahr 2024 haben wir eine aufstrebende Jungpolitikerin, die sich auf die Schultern ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter in der Klimabewegung stellt, um für eine Regierungspartei, die so ziemlich alles mitbeschließt, was sie vorher kritisiert hat, die Spitzenkandidatin für das europäische Scheinparlament abzugeben. Sie sollte sich besser nicht auf die großartigen kommunistischen Frauen Zetkin und Luxemburg berufen. Denn nichts, aber auch gar nichts, hat ihre politische Einstellung mit der Weltanschauung der beiden gemeinsam.

Realistischere Vorbilder

Zum Glück nennt sie aber noch andere, lebende Vorbilder: Die US-amerikanische Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez oder die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Ocasio-Cortez, einst die Junghoffnung des sogenannten linken Flügels der Demokratischen Partei, erweist sich als patriotische Unterstützerin einer Wiederwahl des greisen Kriegspräsidenten Joe Biden. Luisa Neubauer hingegen hat Lena Schilling etwas voraus: Sie ist schon Mitglied der Grünen in der BRD. Zu einer Spitzenkandidatur hat sie es allerdings noch nicht gebracht.

Quellen: marxists​.org/marxists​.org/Der Standard/Europäisches Parlament

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