Die FPÖ ist Erstplatzierte. Es zeichnet sich allerdings eine Koalition ohne sie ab. Die Banken und Konzerne ziehen die sozialpartnerschaftlichen Dienste der Sozialdemokratie dem blauen Rabaukentum vor, auch wenn inhaltlich die größten Überschneidungen zwischen ÖVP und FPÖ bestehen. Die KPÖ hat den Einzug in den Nationalrat deutlich verfehlt.
Wien. Als eindeutiger Sieger ist die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) aus der Nationalratswahl am 29. September 2024 hervorgegangen. Mit knapp 29 Prozent der abgegebenen Stimmen erreichte sie einen Zugewinn von mehr als 12 Prozentpunkten und ihr historisch bestes Ergebnis. Die große Verliererin des Abends ist die Österreichische Volkspartei (ÖVP), die mehr als elf Prozentpunkte ihrer Stimmen verlor und nunmehr bei etwas über 26 Prozent liegt. Die Grünen verlieren zehn ihrer bisher 26 Mandate und haben etwas mehr als acht Prozent erreicht, was ein Minus von mehr als fünf Prozent bedeutet. NEOS kam auf 9,2 Prozent, was einen Zugewinn von etwa einem Prozent markiert. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) kam mit etwas mehr als 21 Prozent der Stimmen ziemlich genau das Ergebnis von 2019. Gewinne konnte sie in der Bundeshauptstadt Wien verzeichnen und hier vor allem in den „Bobo“-Bezirken innerhalb des Gürtels, während man etwa in Simmering verlor und in Floridsdorf die FPÖ stärkste Partei wurde.
Nicht ins Parlament schafften es alle anderen Listen. Die Bierpartei kam auf zwei Prozent, die KPÖ auf etwa 2,4 Prozent. Die Liste Gaza, die nur in sieben der neun Bundesländer antreten konnte, erreichte bundesweit etwa 0,4 Prozent der Stimmen, in Wien sind es 1,2 Prozent.
Was folgert aus diesem Ergebnis?
Den größten Wähleraustausch und zugleich die größte inhaltliche Übereinstimmung gab es zwischen ÖVP und FPÖ. Die FPÖ holte sich praktisch wieder zurück, was ihr Sebastian Kurz nach dem Ibiza-Skandal im Jahr 2019 abgejagt hatte, und konnte offensichtlich auch frühere Nichtwähler mobilisieren. Zwei trotzkistische Gruppierungen hielten es am Wahlabend für nötig, gegen den Wahlerfolg der FPÖ mit ein paar Dutzend Leuten vor das Parlament zu ziehen. Es stellt sich dabei die Frage, wen das beeindrucken soll? Die FPÖ sicher nicht und ihre Wählerinnen und Wähler auch nicht. Mit dem FPÖ-Sieg den Faschismus am Horizont aufziehen zu sehen, zeugt vielmehr von mangelnder Analysefähigkeit, denn es gibt nichts, das darauf hindeutet.
Was sich am Wahlabend bereits abzeichnete, war ein Trend hin zu einer Regierung ohne FPÖ. Bundespräsident Alexander Van der Bellen nannte Kriterien für eine künftige Regierung, etwa dass sie für (imperialistische) EU-Politik einsteht, den Ukraine-Kriegskurs weiterträgt und die Pressefreiheit gewahrt bleibt (welche Pressefreiheit?). Die Parteiobleute der SPÖ, der Grünen und NEOS boten sich der zweitplatzierten ÖVP als Koalitionspartner an. Die ÖVP ist in der Position, dass sie auf diese Weise weiterhin den Bundeskanzler stellen könnte. Rein rechnerisch geht sich eine ÖVP-SPÖ-Koalition mit nur einem Mandat Überhang aus. Es spricht also einiges dafür, dass eine dritte Partei dazugenommen wird.
Wir werden nun Wochen und vielleicht sogar Monate der sogenannten Koalitionsverhandlungen sehen, wobei davon auszugehen ist, dass die ÖVP und das hinter ihr stehende Finanz- und Großkapital die Bedingungen diktieren werden. Parallel zu diesen Verhandlungen werden auch die wichtigen Lohnverhandlungen in der metalltechnischen und anderen Industrien stattfinden, wo es durchaus zu Arbeitskämpfen kommen könnte. Der SPÖ und ihren Gewerkschaftsführern wird die Aufgabe zukommen, während der Verhandlungen „Besonnenheit“ zu zeigen und sich brav zur Sozialpartnerschaft zu bekennen. Es ist davon auszugehen, dass die SPÖ aus den Verhandlungen wie ein „grupftes Hendl“ hervorgehen und sich damit brüsten wird, das Schlimmste verhindert zu haben. Fix scheint jedenfalls, dass die großen Linien der Politik beibehalten werden: Österreich als Teil der aggressiven EU-Außenpolitik, Verbesserung der Standortbedingungen des Kapitals und Klassenpolitik zugunsten des Kapitals. Die FPÖ als stärkste Fraktion im Parlament kann weiter ihre Rolle als Partei der Deutschnationalen, der Großkopferten und der Niedertracht und als rhetorischer Schlägertrupp des Kapitals spielen.
Fehlkalkulation der KPÖ
Die KPÖ, die sich in den letzten Tagen vor der Wahl schon sicher im Parlament wähnte und eine große Party auf dem Wiener Badeschiff vorbereitete, wurde auf den Boden der Realität heruntergeholt. Sie ist mit 2,5 Prozent von einem Einzug in den Nationalrat relativ weit entfernt, auch wenn sie Stimmengewinne erzielen konnte. Gute Ergebnisse an die vier Prozent fuhr sie in Wien ein, während das Ergebnis in der KPÖ-Bürgermeisterstadt Graz mit sechs Prozent zwar auf eine Verdoppelung der Stimmen hinauslief, jedoch sehr weit vom erhofften Grundmandat entfernt ist. Es zeigt sich, dass selbst mit einer sozialdemokratischen Politik und viel Geld keine Bäume in den Himmel wachsen, wenn man sich „kommunistisch“ nennt. Dem Vernehmen nach hat daher an der KPÖ-Spitze bereits eine Diskussion darüber begonnen, ob man die Partei nicht umbenennen sollte. An sich wäre eine Umbenennung ein logischer Schritt, da an der KPÖ ohnehin nichts mehr kommunistisch ist.
In einer Stellungnahme zur Nationalratswahl schrieb die Partei der Arbeit (PdA): „Es ist notwendig, die Arbeiterklasse zu mobilisieren und zu organisieren, damit sie für ihre Interessen kämpfen kann, bis zum Sturz der herrschenden Ordnung und der Etablierung sozialistischer Verhältnisse. Nur eine solche revolutionäre Bewegung wird zum geeigneten Zeitpunkt auch über eine wahrhaft kommunistische parlamentarische Vertretung verfügen und den außerparlamentarischen Massenkampf mit der parlamentarischen Tribüne verbinden.“
Für die Zeit nach der Wahl gilt, was für die PdA schon vor der Wahl galt: „Die Stimme nicht einfach abgeben, sondern die Stimme erheben!“