Kommentar von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)
Es ist heuer 80 Jahre her, dass der deutsche Faschismus, der den Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, niedergerungen wurde. Deshalb werden wir den 8. und 9. Mai in diesem Jahr mit besonderem Nachdruck begehen. Aber auch in der Karwoche – zu Ostern – ist das Thema Frieden von zentraler Bedeutung – da sind sich Christen und Kommunisten gleichermaßen einig.
Im Sinne des erwähnten Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren ist es angebracht, der Opfer zu gedenken, die er gekostet hat, nämlich zig Millionen Menschenleben, Soldaten und Zivilisten, Widerstandskämpfer und Verfolgte, nicht zuletzt im Zuge der industriellen Völkermord- und Vernichtungsmaschinerie des deutschen Faschismus. In diesem Kontext gilt es ebenso, die opferreiche Befreiung zu würdigen, die Alliierten der Anti-Hitler-Koalition, den antifaschistischen Widerstand und die Partisanen, nicht zuletzt aber die heldenhafte Rote Armee der Sowjetunion, die nicht nur Stalin- und Leningrad, sondern auch Wien und Berlin sowie insbesondere Auschwitz befreit hat.
Doch heute geht es um noch mehr: Um die generelle Absage an Militarismus und Militarisierung, an Aufrüstung und Waffengeschäfte, an militärische Interventionen und Okkupationen, an bewaffnete Konflikte und kriegerische Handlungen sowie an Atomwaffen – auch die nukleare Vernichtung Hiroshimas und Nagasakis durch US-Atombomben jährt sich heuer zum 80. Mal. Es wäre hoch an der Zeit, endlich den Weltfrieden zu erklären und auszurufen, doch die Geschichte und die Gegenwart sprechen eben eine andere Sprache: Das vergangene Jahrhundert brachte zwei in diesem Ausmaß nie zuvor gekannte, globale imperialistische Krieg hervor, zwei Weltkriege, mit zig Millionen Toten, Verwundeten, Misshandelten, Hungernden, Obdachlosen und Flüchtlingen. Es brachte faschistische Terrordiktaturen, Kolonialismus, Kriegsverbrechen und Völkermorde hervor, insbesondere natürlich den Holocaust, den systematischen Massenmord mit industriellen Mitteln.
Auch die aktuelle Situation spart nicht mit entmutigenden Aspekten: Die USA befinden sich seit Beginn des Jahrtausends, seit Afghanistan 2001, im permanenten Krieg, auf direkten Wegen und mittels Stellvertreterkriegen sowie inszenierten „Bürgerkriegen“, mit hunderttausenden Soldaten, mit Panzerfahrzeugen, Kampfjets und Bombern, Raketen und Drohnen. Und die USA betätigen sich weiter als Kriegstreiber, v.a. gegenüber China, aber auch dem Iran und Nordkorea. Eine wesentliche Rolle spielt auch das Kriegsbündnis NATO, das sich stetig ausdehnt, zuletzt um Finnland und Schweden. Auch die militarisierte EU hat ihre Hände im schmutzigen Spiel, sie ist Besatzungsmacht am Balkan, und sie ist gemeinsam mit den Regierungen in Moskau und Kiew mitverantwortlich für das Andauern und so manche Eskalation im Ukrainekrieg. Gleichzeitig wird nichts unternommen, um die Massaker der israelischen Armee im Gazastreifen zu beenden, von der völkerrechtswidrigen Okkupation der palästinensischen Gebiete selbst gar nicht zu reden. Um es kurz zu machen: Wir sind weit entfernt vom Weltfrieden – im Gegenteil: Alles deutet auf kommende direkte Großmachtkonflikte und eventuell auf einen Dritten Weltkrieg hin, der alles bisher Gekannte in den Schatten stellen würde.
Wer es wirklich wissen will, weiß, warum das so ist. Krieg ist nicht nur ein politisches Instrument und ein Geschäftsmodell des Kapitalismus, sondern auch eine Gesetzmäßigkeit, insbesondere in dessen imperialistischem Stadium. Die ungleichmäßige Entwicklung fordert immer wieder die Neuaufteilung der Welt und die Festlegung der Hegemonialposition. Die führenden imperialistischen Staaten unterdrücken die schwächeren Länder, um sie auszubeuten, sie stehen untereinander im Konkurrenzkampf um Einflusssphären, Ressourcen, Rohstoffe, Transportwege, Investitionsmöglichkeiten, Marktanteile, billige Arbeitskräfte und geopolitische Positionen. Die imperialistische Aufteilung und Neuaufteilung kann schlussendlich nur auf dem Wege der Gewalt und der Macht erfolgen, diese äußern sich zunächst politisch-diplomatisch, dann wirtschaftlich, in letzter Konsequenz aber immer militärisch. Der Imperialismus ist nicht friedensfähig, der Kapitalismus ist nicht friedensfähig.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden aus dieser Erkenntnis Konsequenzen gezogen: Die Etablierung sozialistischer Gemeinschaften überwand nicht nur die kapitalistische Ausbeutung, sondern auch den Krieg – die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, bis auf das letzte Jahrzehnt natürlich, war daher in Europa eine relative Friedensphase, zumindest soweit es die unmittelbare Abwesenheit von Kriegen auf dem Kontinent betrifft. Der deutsche Imperialismus und sein Faschismus wurden in der DDR – im Gegensatz zur BRD – mit aller Konsequenz überwunden: Auf den Trümmern des Vernichtungskrieges und des Genozids schufen die Widerstandskämpfer und Verfolgten eine neue Gesellschaft, eine sozialistische Gesellschaft, deren zentrales Anliegen die Erhaltung des Friedens bildete. Die DDR war historisch der einzige deutsche Boden, von dem niemals Krieg ausging. Wenn nun aber Antikommunisten aller Schattierungen meinen, gerade den einzigen Friedensstaat des deutschen Sprachraumes diffamieren zu müssen, so ist das heuchlerisch und durchschaubar: Die DDR, die UdSSR und die sozialistischen Staaten Europas mögen nicht „perfekt“ gewesen sein, aber das ist auch eine absurde und abstrakte Forderung – sie sind vielmehr am Kapitalismus, Imperialismus und Faschismus zu messen, die uns zwei Weltkriege, Kolonialverbrechen, Atombombenabwürfe und den Holocaust beschert haben. Auch in dieser Hinsicht gilt, was Peter Hacks festgestellt hat: Selbst der „schlechteste“ Sozialismus wäre immer noch besser als der „beste“ Kapitalismus. Und tatsächlich: Mit dem Ende des Sozialismus in Europa und der Sowjetunion, mit der Durchführung der Konterrevolution 1989 ‑1991, war die (scheinbare) Friedensphase in Europa schlagartig wieder vorbei – es folgten unmittelbar die Kriege in und um Jugoslawien, im und südlich des Kaukasus, heute haben wir einen umfassenden Krieg in der Ukraine, in den fast ganz Europa auf die eine oder andere Weise involviert ist.
Insofern müssen wir beachten: Der Kampf für den Frieden impliziert aktuelle und konkrete Erfordernisse und dadurch Forderungen, die in die Gesellschaft getragen werden müssen – z.B.: keine Kooperation des österreichischen Bundesheeres mit den USA und der NATO, keine weitere Militarisierung der EU und keine Teilnahme an EUFOR-Operationen, keine Aufrüstung und keine neuen Kampfflugzeuge, keine Entsorgung der Neutralität. Man muss die Herrschenden auch in Österreich durch eine starke Friedensbewegung dazu zwingen, ihre imperialistischen Ambitionen zurückzuschrauben. Eine wahrhafte Friedenspolitik verlangt das Ende aller imperialistischen Interventionen und Okkupationen, die Ächtung aller Massenvernichtungswaffen und die Abschaffung der Atomwaffenarsenale, das Ende der Kriegspolitik und Kriegstreiberei der USA, der NATO und der EU, sie fördert das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, Völkerfreundschaft und friedliche Konfliktlösungen. Wir fordern Abrüstung und gesellschaftliche Demokratisierung, wir forcieren den Kampf gegen Nationalismus und Chauvinismus, gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus, auf Grundlage internationalistischer, antiimperialistischer und antimilitaristischer Standpunkte. Das Alles wird im Rahmen des Kapitalismus aufgrund dessen Gesetzmäßigkeiten und Machtverhältnisse aber nur limitiert zu realisieren sein.
Am Ende ist der revolutionäre Klassenkampf für den Sozialismus die beste Friedenspolitik: Nur der Sozialismus garantiert, dass das Macht- und Profitstreben der Großmächte, der Banken und Konzerne sowie ihrer Regierungen, der Rüstungsindustrie und der Militärs überwunden wird. Wenn der Kapitalismus nicht friedensfähig ist, dann muss er entsorgt werden – im Interesse der Menschheit und ihrer friedlichen, geschwisterlichen und sicheren Weiterentwicklung und Zukunft, die im Sozialismus und in der klassenlosen Gesellschaft liegen wird, ohne Ausbeutung und Unterdrückung, ohne Imperialismus und Krieg.
Auf diese Weise werden das Bedürfnis nach Frieden und das Recht auf Frieden schließlich für die gesamte Menschheit verwirklicht. Der Wunsch “Friede sei mit euch!” – ob als Wort des wiederauferstandenen Jesus von Nazareth oder als hebräischer und arabischer Gruß – soll keine hohle Phrase, sondern Ziel und Vorgabe sein.