Am 15. Mai, einen Tag vor der Internationalen Befreiungsfeier – überreichten der russische Botschafter in Österreich Dmitri Ljubinski und der Vorsitzende des Mauthausen-Komitees-Österreich (MKÖ), Willi Mernyi, der Zeitzeugin Anna Hackl stellvertretend für ihre Mutter Maria Langthaler den Tapferkeitsorden der Russischen Föderation. Die Familie Langthaler versteckte im Zuge der „Mühlviertler Menschenhatz“ trotz lebensbedrohender Gefahr zwei sowjetische Kriegsgefangene, die aus Mauthausen geflüchtet waren, und rettete ihnen damit das Leben.
Wien/Mauthausen. Als „K“-Häftlinge wurden ab Frühjahr 1945 aufgrund des „Kugel-Erlasses“ zwischen 2.000 und 5.000 Personen nach Mauthausen deportiert. Es waren dies vor allem sowjetische kriegsgefangene Offiziere, die Fluchtversuche unternommen hatten, sowie Zwangsarbeiter, die der Sabotage oder politischen Betätigung bezichtigt worden waren. Diese Häftlinge sollten in Mauthausen ermordet werden. Zumindest 350 von ihnen exekutierte die SS, der Großteil wurde, ohne dass sie regulär als Häftlinge verzeichnet wurden, im durch elektrischen Stacheldraht und Steinmauer vom übrigen Lager isolierten Block 20 einfach dem Sterben überlassen. Die Häftlinge mussten auf dem Boden schlafen, erhielten kaum Nahrung und hatten daher keine Chance zu überleben.
Ausbruch und „Mühlviertler Hasenjagd“
Angesichts der aussichtslosen Situation im Block 20 des KZ-Mauthausen unternahmen im Februar 1945 mehr als 500 „K“-Häftlinge einen Massenausbruch. Bewaffnet mit Pflastersteinen, Feuerlöschern, Seifen- und Kohlestücken griffen sie die Wachtürme an und warfen feuchte Decken über den elektrisch geladenen Stacheldraht. Der dadurch herbeigeführte Kurzschluss ermöglichte es ihnen, die Lagermauer zu überwinden. Wegen ihres schlechten körperlichen Zustandes brachen viele Flüchtende bald zusammen. Andere starben im Kugelhagel der Wachmannschaften. 419 Personen gelang es zu entkommen.
Die im Block 20 zurückgebliebenen Schwerkranken ermordete die SS noch in derselben Nacht. Gleichzeitig leitete sie eine Großfahndung ein, an der sich neben SS, Gendarmerie, Wehrmacht und Volkssturm auch zahlreiche Zivilpersonen aus dem lokalen Umfeld beteiligten. Fast alle Geflüchteten wurden wiederergriffen. Die Meisten wurden noch an Ort und Stelle ermordet, die übrigen im KZ Mauthausen. Diese Such- und Mordaktion wurde zynisch als „Mühlviertler Hasenjagd“ bezeichnet.
Es überlebten vermutlich nur elf Menschen. In der Landwirtschaft eingesetzte Zwangsarbeiter und eine Handvoll Mühlviertler Bauernfamilien, die sich der Mitwirkung an der Mordaktion widersetzten, retteten ihnen das Leben.
„Was hätten wir denn anderes machen können…“
Anna Hackl, geborene Langthaler, war 14 Jahre alt, als sich die Hetzjagd ereignete. Ihre Mutter Maria Langthaler war eine der wenigen, die während dieser Zeit besonderen Mut bewiesen hatte und half. Sie versteckte zwei ukrainische Offiziere auf ihrem Bauernhof bei Schwertberg in Oberösterreich. Drei Monate hielten die Langthalers die beiden geflüchteten Kriegsgefangenen versteckt – ein risikoreiches Unterfangen, das die Familie das Leben hätte kosten können. Für Maria Langthaler war klar: „Was hätten wir denn anderes machen können, als diesen beiden zu helfen?“
„Für die Opferbereitschaft, den Mut und die Tapferkeit bei der Rettung von zwei sowjetischen Kriegsgefangenen“ wurde Maria Langthaler nun mit dem Tapferkeitsorden der Russischen Föderation posthum ausgezeichnet. Zeitzeugin Anna Hackl nahm den Orden stellvertretend für ihre Mutter entgegen. „Seit 1995 erzähle ich Schülern in ganz Österreich meine Geschichte. Vor dieser Zeit waren die Geschehnisse aus der NS-Zeit ein Tabuthema. Meine Mutter ist nun schon so viele Jahre verstorben. Als ich von der Auszeichnung erfahren habe, war ich daher ganz überrascht und gleichzeitig voller Freude“, so Hackl.
„Heute ist es für mich als Botschafter Russlands eine besondere Ehre, diese Auszeichnung in der Gedenkstätte Mauthausen überreichen zu dürfen. Die Heldentat von Maria Langthaler und der ganzen Familie bleibt ein unvergängliches Symbol des Mutes und der Barmherzigkeit“, so der Botschafter Russlands in Österreich, Dmitri Ljubinski.
Quellen: APA-OTS/Mauthausen-Memorial