Bislang vermutete man eine Herkunft aus Mähren, doch nun konnten österreichische Forscher den verwendeten Kalkstein einer anderen Gegend zuordnen: Die 27.000 Jahre alte Steinzeitfigur stammt ursprünglich aus Norditalien.
Wien. Ein Wissenschaftlerteam der Universität Wien unterzog die so genannte „Venus von Willendorf“ einer neuen Durchleuchtung mit einem Mikrocomputertomographiegerät. Der Zweck bestand in einer genaueren Bestimmung des bei der Herstellung des steinzeitlichen Artefakts verwendeten Ooliths – einer speziellen Kalksteinart. Mit 33 Vergleichsproben, die einem Umkreis von 1.800 Kilometern um den niederösterreichischen Fundort bei Aggsbach an der Donau (Bezirk Krems) entnommen waren, versuchte man die Herkunft des Steins und damit den vermutlichen Herstellungsort zu eruieren.
Hierbei wurde einerseits die Körnerung untersucht, andererseits konnte man durch eingelagerte Rückstände von Jura-Muschelschalen gewisse Orte ausschließen – zu letzteren gehörten u.a. das Wiener Becken sowie die Gegend um das mährische Brünn, wo man bislang die höchste Wahrscheinlichkeit angesiedelt hatte. Doch auch die besonders weit entfernten Proben – von Frankreich bis zur Ukraine, von Norddeutschland bis Sizilien – passten hinsichtlich der Materialanalyse nicht.
Schließlich ergab sich die größte Übereinstimmung mit dem Oolith aus einem Steinbruch in der Nähe von Ala im südlichen Trentino. Somit kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festhalten, dass das Material für die „Venus von Willendorf“ aus Norditalien stammt, genauer gesagt aus der Gegend zwischen dem südlichen Etschtal und dem Gardasee. Vermutlich kam aber nicht nur das Gestein aus diesem Gebiet, sondern vor rund 27.000 Jahren hat ein Künstler/eine Künstlerin aus der späten Altsteinzeit seine/ihre Steinschnitzerei wohl auch dort durchgeführt.
Dass die nur elf Zentimeter kleine Statue schließlich im Jahr 1908 bei Eisenbahnbauarbeiten in der niederösterreichischen Wachau und somit hunderte Kilometer entfernt gefunden wurde, deutet darauf hin, dass die frühzeitlichen menschlichen Besitzer mit der Figur umhergewandert sind. Als Jäger und Sammler folgten sie Tierbeständen, Nahrungsangeboten und Klimabedingungen. Gut möglich ist ein Weg über den Flusslauf der Etsch über die Alpen zum Inn und weiter zur Donau. Aber auch eine Umgehung der Alpen über die pannonische Ebene ist denkbar, wenngleich dies ein weiterer Weg gewesen wäre. Jedenfalls darf man davon ausgehen, dass diese Wanderung mehrere Jahre, vielleicht sogar Generationen dauerte – und die Venus aus dem Trentino war immer mit im Gepäck, mutmaßlich als religiöses Fruchtbarkeitssymbol.
Die „Venus von Willendorf“ befindet sich im Naturhistorischen Museum von Wien, wo sie eines der bekanntesten und bemerkenswertesten Ausstellungsstücke darstellt.
Quelle: ORF