HomeFeuilletonGeschichteVor 105 Jahren: Jännerstreik in Österreich

Vor 105 Jahren: Jännerstreik in Österreich

Im Jänner 1918 kam es zu den größten Massenstreiks der österreichischen Geschichte. Rund 800.000 Menschen legten unter dem Eindruck der Oktoberrevolution in Russland die Arbeit nieder, um ihren sozialen, demokratischen und politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Bedingungen und Vorgeschichte

Die russische Februar- und insbesondere Oktoberrevolution von 1917 hat seinerzeit weltweit erheblichen Eindruck gemacht. Auch in der österreichischen Arbeiterklasse verlangten die Massen, mit den Herrschenden „russisch zu sprechen“ – als Metapher dafür, sich nicht länger unterdrücken und ausbeuten zu lassen, bzw. konkret v.a. auch sich nicht mehr an der Front des Ersten Weltkrieges töten oder zu Hause aushungern zu lassen. Das Beispiel Russlands hatte gezeigt, dass dies möglich war.

Die 1917 auch in Österreich aufkommende soziale, demokratische und revolutionäre Arbeiter- und Antikriegsbewegung übernahm von der russischen Revolution daher auch die zentralsten Forderungen, zumal die Bedingungen in Österreich-Ungarn und im Russischen Zarismus in vielerlei Hinsicht nicht unähnlich waren. Und so forderten auch die österreichischen Arbeiter: Frieden, Brot und Arbeit sowie demokratische und Selbstbestimmungsrechte.

Bereits am 11. November 1917, nur vier Tage nach dem Sieg der Oktoberrevolution, fand in Wien eine gewaltige Friedenskundgebung der Sozialdemokratischen Partei (SDAP) statt, die von den linken Kräften gewissermaßen erzwungen worden war – die große Teilnehmerzahl und die Begeisterung der Massen für die russischen Ereignisse waren der österreichischen Regierung bereits ein ernster Hinweis auf die revolutionäre Stimmung in der österreichischen Arbeiterschaft.

Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt für die Bewegung waren die Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk, die Anfang Dezember 1917 zwischen Sowjetrussland und den Mittelmächten Deutschland und Österreich begannen. Die bolschewistische Delegation legte als Leitlinien vor: Verzicht auf Annexionen, Räumung aller besetzten Gebiete, Verzicht auf Reparationen, Selbstbestimmungsrecht der Völker. Diese Forderungen wurden auch in der österreichischen Arbeiterschaft mit größter Zustimmung rezipiert, weswegen nicht nur soziale Anliegen, sondern auch die Friedensfrage in den kommenden Wochen und Monaten eine große Rolle spielen sollte. Es gab sozialdemokratische Friedensversammlungen, die bereits die Konfliktlinien in der Arbeiterbewegung markierten: Die beschwichtigenden Parteifunktionäre der SDAP wurden heftig dafür kritisiert, dass sie immer noch der kaiserlichen Regierung den Rücken deckten.

Zwei Ereignisse erwiesen sich sodann als unmittelbare Anstöße für den Beginn der Streikbewegung zum Jahresbeginn 1918. Am 12. Jänner waren die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk nach einem untragbaren deutschen Ultimatum vorerst abgebrochen worden; und am Morgen des 14. Jänner verfügte die österreichische Regierung eine weitere Kürzung der ohnedies unzureichenden Mehlrationen für die Bevölkerung. Beides zusammen brachte das brodelnde Fass zum Überlaufen – und somit war die kommende Streikbewegung von Anfang an nicht nur ein ökonomischer, sondern auch oder vielleicht sogar mehr ein politischer Streik.

Streikverlauf und Forderungen

Der Jännerstreik begann in den Daimler-Motorenwerken von Wiener Neustadt und erfasste recht unmittelbar den Gutteil des niederösterreichischen Industrieviertels, bis hinunter nach Ternitz, im Westen setzte er sich ins Traisental fort, im Norden bis Wien, in große Betrieben in Favoriten, Floridsdorf, Ottakring etc. Bald waren auch die Steiermark, Oberösterreich und Teile Ungarns ergriffen, später tschechische Betriebe. Am Höhepunkt des Ausstands, am 19. Jänner, streikten an die 800.000 Arbeiter, davon 250.000 im Kerngebiet Niederösterreich und Wien. Und es waren wichtige Dinge, die nicht mehr produziert wurden: Nicht nur Maschinen und Motoren, Fahrzeuge und Flugzeuge, sondern eben auch unmittelbare Rüstungsgüter – und Österreich befand sich ja immer noch im Kriegszustand.

Eine relevante Rolle spielte bei den Ereignissen die Gruppe der so genannten „Linksradikalen“, die sich bereits bewusst waren, dass mit der SDAP-Führung nichts mehr zu machen war – dazu gehörten etwa Franz Koritschoner, Leo Rothziegel oder Karl Steinhardt, die später in der Frühgeschichte der KPÖ nochmals zu erwähnen wären. Und sie hatten durchaus einen gewissen Einfluss in manchen der bestreikten Betriebe. Sie forderten, den „sozialpatriotischen Arbeiterführern“ zu misstrauen und die Bildung von Arbeiterräten nach russischem Vorbild, die ihrerseits Friedensdelegierte nach Brest-Litowsk entsenden sollten. Außerdem ging es um u.a. sofortige Waffenstillstände an allen Fronten, die Aufhebung aller Beschränkungen der politischen Freiheiten und die Freilassung aller politischen Gefangenen (darunter Friedrich Adler). Zentrale ökonomische Forderungen waren der Achtstundentag und die Konfiskation der Lebensmittel, auf dass diese durch Arbeiterkomitees verteilt würden.

Die Streikbewegung entfaltete eine beeindruckende Dynamik, die neben der massiven Unzufriedenheit des Volkes v.a. eines zeigte: Die Arbeiterklasse drohte der SP-Parteiführung zu entgleiten, was auch der kaiserlichen Regierung nicht verborgen blieb. Ministerpräsident Seidler bestellte am 15. Jänner Victor Adler, Karl Renner und Karl Seitz zu einem Gespräch, in dem es darum ging, wie die Streikbewegung zu beenden sei. Die SP-Führung solle die Arbeiter beruhigen und zur Rückkehr an ihre Arbeitsplätze bewegen. Und diesem Ansinnen entsprach die Sozialdemokratie auch. Dafür genügte es aber nicht, nur beschwichtigend von oben herab einzuwirken, da man bereits viel Vertrauen eingebüßt hatte, sondern man musste sich in die Bewegung begeben, um sie zu kontrollieren. Das Mittel hierzu waren natürlich die Arbeiterräte, die sich am 15. Jänner zunächst in Wiener Neustadt und Ternitz unter linksradikalem Einfluss gebildet hatten.

Unter Ausnutzung des immer noch beachtlichen Funktionärsapparates der Partei und der Gewerkschaf bot die Sozialdemokratie alles auf, was verfügbar war, um die Führung der Rätebewegung an sich zu reißen, was insbesondere in Wien am 17. Jänner auch gelang. Dabei halfen Erfahrung und prominente Funktionäre, während die Linksradikalen beides nicht hatten. Auf diese Weise bekam die Sozialdemokratie die Oberhand: Während sie in den Hinterzimmern mit der kaiserlichen Regierung die Vorgehensweise des Streikabbruchs besprach, wurde die Umsetzung und Rechtfertigung den sozialdemokratischen Räten überlassen. Dies funktionierte.: Am 19. Jänner versprach die Regierung, ihre Friedensbemühungen zu verstärken, die Lebensmittelversorgung zu reorganisieren, die Militarisierung der Betriebe aufzuheben und das allgemeine Wahlrecht für Landtage und Gemeinderäte einzuführen, woraufhin die Sozialdemokratie vermittelst ihrer Arbeiterräte die Streikenden aufforderte, diesen Punkten zuzustimmen und den Streik zu beenden. Am 20. Jänner gab es bei den Streikversammlungen noch Widerstand gegen die sozialdemokratische Kapitulation – dass es vielmehr eine Verschwörung und ein Verrat war, wusste man nicht –, doch die SP behielt die Kontrolle. Am 21. Jänner begann die Streikfront zu bröckeln, am 24. Jänner wurde überall wieder gearbeitet. Nebenbei erwähnt: Die Versprechungen der Regierung wurden freilich nicht eingehalten.

Dass dieses Ende möglich war, wurde durch eine weitere Maßnahmen begünstigt: Während die SP ihr den Rücken freihielt, ging die kaiserliche Regierung und Polizei gegen die Linksradikalen vor: Ihre Führungsspitze wurde verhaftet und damit in einem entscheidenden Moment aus dem Verkehr gezogen, was wiederum der SP-Führung freie Hand in den Arbeiterräten gab. Betroffen waren u.a. Koritschoner, Johannes Wertheim oder Friedrich Hexmann.

Einordnung und Folgen

Somit ist der Jännerstreik von 1918 von zwei bemerkenswerten Aspekten geprägt: Einerseits von der beachtlichen Kampfkraft der Arbeiterklasse, die für die weltweit größte Arbeitererhebung jenes Zeitraums sorgte (abgesehen natürlich von der Oktoberrevolution); andererseits vom Verrat der SP-Führung. Sie hat in Kollaboration mit der kaiserlichen Regierung die Streikbewegung abgewürgt. Die revolutionäre Situation, die zweifellos vorlag, verstrich ungenützt, da die SDAP keine sozialistische Revolution wollte. Die österreichische Sozialdemokratie rettete also das Kapital vor dem Sozialismus – und dies nicht zum letzten Mal in der Geschichte Österreichs: Bereits im Herbst desselben Jahres sollte sie die nächste Gelegenheit erhalten, sich als soziale Stütze bürgerlicher Herrschaft und kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse zu bewähren. Allerdings gelang es der SDAP auch weiterhin, teilweise mit radikaler Phraseologie, die große Mehrheit der Arbeiterklasse bei der Stange zu halten, wozu freilich auch einige reformistische Erfolge in der Ersten Republik und im „Roten Wien“ beitrugen.

Tatsache ist: Der Jännerstreik hätte das Potenzial gehabt, den Kapitalismus in Österreich zu stürzen. Eine solche revolutionäre Umwälzung benötigt jedoch etwas, das es nicht gab: Zum einen nicht nur eine revolutionäre Stimmung in der Arbeiterschaft, sondern ein revolutionäres Bewusstsein, ein sozialistisches Bewusstsein der organisierten Arbeiterklasse, dass es der revolutionären Machtergreifung bedarf. Dies hat die Sozialdemokratie bewusst nicht befördert, sondern sogar unterlaufen. Und damit sind wir eben beim zweiten Erfordernis: Es braucht eine revolutionäre Organisation, eine Partei, die fähig und willens ist, den Klassenkampf und die Revolution in der akut revolutionären Situation zu betreiben, zu führen und durchzuführen. Die SDAP wäre – mit den Arbeiterräten – wohl das Instrument gewesen, hatte aber nicht den notwendigen Charakter in ihrer Führung und Struktur: Sie wollte die Revolution nicht. Demgegenüber waren die Linksradikalen zwar willens, die Streikbewegung bis zum revolutionären Höhepunkt zu treiben, doch verfügten sie nicht über die Möglichkeiten: Ihr fehlte es an Einfluss, Ressourcen, Mitgliedern und auch Erfahrung, um sich erfolgreich an die Spitze der revolutionären Bewegung zu stellen. Gleiches galt im kommenden Herbst für die dann gegründete KPÖ, denn auch da war die Sache der österreichischen Revolution noch nicht entschieden. Aber die junge KPÖ konnte zum damaligen Zeitpunkt genauso wenig wie zuvor die noch kleinere Gruppe der Linksradikalen eine Rolle spielen wie die Bolschewiki in Russland.

Das große „Verdienst“ der SDAP ist es, im Jahr 1918 den Kapitalismus in Österreich vor der Revolution gerettet zu haben – das wäre damals keiner bürgerlichen Partei mehr und schon gar nicht der kaiserlichen Regierung gelungen. Was aber nicht gerettet werden konnte, waren die Monarchie und der Vielvölkerstaat – und in diesem Sinne war die österreichische Revolution von 1918 eben eine bürgerlich-demokratische bzw. deren endlicher Abschluss. Die provisorische Nationalversammlung – d.h. im Wesentlichen die deutschsprachigen Abgeordneten des 1911 gewählten Reichsrates – rief am 12. Oktober 1918 die Republik aus. Am Vortag hatte der Kaiser auf jeden Anteil an den Regierungsgeschäften verzichtet und die kaiserliche Regierung entlassen, an ihre Stelle trat eine Große Koalition unter Führung des Sozialdemokraten Karl Renner, der zwei weitere (kurze) Perioden bis 1920 im Amt blieb. In diese Zeit fallen durchaus bedeutende Reformen.

Zunächst wurde, mit der Schaffung der Republik, auch die bürgerlich-demokratische Grundlage vervollständigt, d.h. das allgemeine, gleiche Wahlrecht für Männer und Frauen verwirklicht – natürlich auch eine langjährige Forderung der Arbeiterbewegung. Auf diese Weise wurde die konstituierende Nationalversammlung gewählt, die 1920 die bis heute gültige Bundesverfassung beschließen sollte.

Unter dem Druck der Arbeiterklasse und damit nicht zuletzt der eigenen Basismitgliedschaft sah sich die SDAP genötigt, auch im sozialen Bereich ernsthafte Verbesserungen umzusetzen – damit, sowie mit dem Versprechen der Umsetzung einer Revolution mit dem Stimmzettel in den kommenden Jahren, erhielt sie innerhalb der Arbeiterbewegung auch ihre klare Mehrheit und die Arbeiter von „revolutionären Abwegen“ fern. Die waren nämlich auch nach 1918 noch keineswegs ausgeschlossen, denn in Bayern und Ungarn, zu dem damals auch noch das Burgenland gehörte, gab es 1919 revolutionäre Räterepubliken, deren Verbindung und Unterstützung entlang der Donau über Österreich möglich gewesen wäre – doch lediglich die junge KPÖ entsandte 1.500 Freiwillige, um die ungarischen Revolutionäre militärisch zu unterstützen. Unter diesem Eindruck war auch das Kapital bereit, Zugeständnisse zu machen, denn an einer erneuten Zuspitzung zu einer revolutionären Situation hatte man freilich kein Interesse.

So wurde u.a. der 8‑Stunden-Tag eingeführt, seit der 1. Maifeier 30 Jahre zuvor ein zentrales Anliegen der Arbeiter. Es gab erstmals auf gesetzlicher Grundlage Arbeitslosenunterstützung und Urlaubsansprüche, es gab eine gesetzliche Grundlage für die Bildung von Betriebsräten sowie die Gründung der Arbeiterkammern – wobei mit letzterem freilich auch der immer noch vorhandenen Rätebewegung der Wind aus den Segeln genommen werden sollte, was auch gelang. Mit der Trennung der Bundesländer Wien und Niederösterreich erhielt die Bundeshauptstadt eine Sonderstellung, mittels der die SDAP hier noch weitergehende positive Reformen im so genannten „Roten Wien“ umsetzen konnte, nicht zuletzt den hinlänglich bekannten sozialen Wohnbau.

All’ dies muss man vor dem Hintergrund der Defensivstrategie der Bourgeoisie gegenüber der revolutionären Weltbewegung sehen, die sich v.a. durch die Oktoberrevolution und die Gründung der UdSSR so eindrucksvoll manifestiert hatte. Der Kapitalismus stand auch in Mittel- und Westeuropa vor der Existenzfrage, wurde aber mittels Zugeständnissen und Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie, mancherorts aber auch durch die massive Anwendung gegenrevolutionärer Gewalt gerettet. Und einmal wieder auf den Beinen, ging die Bourgeoisie zum Gegenangriff über: Bereits Mitte der 1920er Jahre war es der Anspruch bürgerlicher Regierungen in Österreich, den „revolutionären Schutt“ – gemeint waren die Sozialreformen der Anfangsjahre der Republik – wegzuräumen. Mehr noch, die reaktionärsten Teile des Großkapitals entdeckten ein neues Werkzeug im Kampf gegen die Arbeiterklasse und gegen die Sowjetunion, nämlich den Faschismus. Dieser kam in Österreich 1933/34 an die Macht, wurde 1938 von einem Konkurrenzfaschismus ersetzt, 1945 im Wesentlichen durch die Rote Armee der Sowjetunion gestürzt.

Schaffung der kommunistischen Bewegung

Ab Jänner 1918 gab es eine akut revolutionäre Situation in Österreich, doch ohne revolutionäre marxistische Kampfpartei, ohne eine Partei vom Typ der Bolschewiki, konnte sie nicht genützt werden. Das war eine Erfahrung, die vielerorts gemacht wurde, daher bildeten sich nach der Oktoberrevolution überall auf der Welt kommunistische Parteien in Abgrenzung zur alten Sozialdemokratie, die in aller Regel gegenrevolutionär war. In Österreich wurde am 3. Oktober 1918, wenige Tage vor Ausrufung der Republik, die KPÖ gegründet. Das war im Weltmaßstab recht früh, für Österreich aber eben zu spät, zumal diese Gründung – etwa im Gegensatz zur KPD in Deutschland – nicht auf einer zuvor vorhandenen, namhaften Linksopposition in der SDAP basierte. D.h. damals war die neu gegründete KPÖ schlichtweg nicht in der Lage, sich an die Spitze der revolutionären Bewegung zu setzen. Zudem verfolgte sie in den ersten Jahren einige falsche Orientierungen und Strategien, und erlangte keinen unbedeutenden, aber in Summe zu wenig Einfluss in der Arbeiterklasse.

Mitte der 1920er Jahre wurde seitens der Kommunistischen Internationale, der auch die KPÖ als Gründungsmitglied angehörte, beschlossen, den Mitgliedern gemeinsame organisatorische Prinzipien sowie theoretische und strategische Grundlagen zu geben, auch bekannt als „Bolschewisierung“. Im Falle der KPÖ waren hierfür der Komintern-Abgesandte Georgi Dimitroff und der neue Parteisekretär Johann Koplenig verantwortlich. Letzterer hatte in russischer Kriegsgefangenschaft die Oktoberevolution erlebt und war Mitglied der Bolschewiki geworden, bevor er wieder nach Österreich zurückkehrte. Mit dieser Bolschewisierung gelang es, der KPÖ eigenständiges, stringentes Profil zu geben und sie kampffähig zu machen. Das war auch höchst notwendig, denn wir befinden uns nun ja in der Phase der kapitalistischen Gegenoffensive. Insofern ist es kein Zufall, dass die KPÖ durch die Ereignisse 1927 (Julirevolte), 1933 (Ausschaltung des Parlaments) und 1934 (Februarkämpfe) an Ansehen und Zulauf gewann, schließlich zur wichtigsten Kraft des antifaschistischen Widerstandes in Österreich wurde und gewissermaßen unter den schwierigen Bedingungen der Illegalität erstmals so etwas wie Masseneinfluss erlangte. Hierbei war übrigens auch wichtig, dass die KPÖ – im Gegensatz zur SDAP und den Christlichsozialen und Austrofaschisten – den Kampf gegen den NS-Faschismus auch als nationalen Freiheitskampf des österreichischen Volkes ansah, womit wiederum ein wichtiger Grundstein für das Wiedererstehen eines eigenständigen österreichischen Staates 1945 gelegt wurde.

Schlussfolgerungen für die Gegenwart

Bei einem seit langem rückläufigen Organisierungsgrad hat die SPÖ die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung immer noch weitgehend unter Kontrolle. Sie hat sich in der Zweiten Republik endgültig zur sozialen Hauptstütze des Kapitalismus in Österreich entwickelt, nicht zuletzt über das Herrschaftsmittel der so genannten „Sozialpartnerschaft“. Die SPÖ- und ÖGB-Führung steht definitiv auf der falschen Seite der Barrikaden der Klassengesellschaft – und der etwaigen Revolution. Im Prinzip weiß man das seit über einem Jahrhundert, wie eben u.a. der Jännerstreik von 1918 zeigt, aber heute ist es in jeder Form unumkehrbar. Die KPÖ hat, nach zwischenzeitlich positiver Entwicklung im Rahmen der Möglichkeiten, sich inzwischen selbst aus dem Spiel genommen: Sie ist die nicht-marxistische, nicht-revolutionäre, linksbeliebige Organisationsform des Reformismus, die vornehmlich um Mandate in bürgerlichen Vertretungskörpern kämpft, um dort Veränderungen in Richtung einer „solidarischen Gesellschaft“ oder dergleichen zu bewirken. Das ist nicht per se schlecht oder verwerflich, aber eben nicht das, was die Sache der revolutionären Arbeiterbewegung und des Sozialismus braucht. Die benötigt vielmehr eine marxistisch-leninistische Kampfpartei der Arbeiterklasse, die vollständig in der Tradition von Hainfeld, der Oktoberrevolution, der Komintern, der Februarkämpfe 1934 und des antifaschistischen und nationalen Freiheitskampfes 1933–1945 steht – und in jener des Jännerstreiks von 1918. Nur auf dieser Grundlage wird man etwas mit dem revolutionären Klassenkampf, mit dem Sturz des Kapitalismus und der Verwirklichung des Sozialismus zu tun haben können.

Die Partei der Arbeit Österreichs ist es, die sich des verwaisten Erbes angenommen hat und den Platz ausfüllen will. Es versteht sich aber von selbst, dass sie gegenwärtig weit davon entfernt ist, die angestrebte Rolle ausüben zu können, denn sie weist ähnliche oder sogar gravierendere organisatorische Limitierungen auf als die Linksradikalen von 1918 oder die KPÖ von 1919. Die PdA ist angesichts schwieriger Bedingungen aber nicht bereit, zu kapitulieren und einfachere, bequeme Wege zu beschreiten, wie es die linksopportunistischen und reformistischen Gruppierungen in Österreich getan haben und tun. Denn die zentralste Lehre aus dem Jännerstreik ist: Es braucht die eigenständige revolutionäre Organisierung der Arbeiterklasse in der marxistischen und leninistischen Partei. Diese Partei muss bereitgestellt und entwickelt werden – das ist die Aufgabe der PdA und der mit ihr verbundenen Organisationen.

Quelle: Redigierter und gekürzter Text nach Vortragsunterlagen von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)

- Advertisment -spot_img
- Advertisment -spot_img

MEIST GELESEN