Am 25. Juli 1934 kam es in Österreich zur ersten Zuspitzung zwischen den beiden Konkurrenzfaschismen: Die Nazis versuchten sich in einem Staatsstreich gegen das austrofaschistische Regime. Diktatur Dollfuß wurde zwar getötet, doch das Regime behielt die Oberhand und überdauerte ihn noch fast vier Jahre. – Wir bringen zum Jahrestag einen Artikel von Gerhard Bruny.
25. Juli 1934 – Der Naziputsch in Österreich
Am 25. Juli 1934, es war ein Mittwoch, tagte vormittags der Ministerrat der austrofaschistischen Regierung unter Führung des Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß im Wiener Bundeskanzleramt. Während der Sitzung informierte der Minister und »Heimwehrführer« Emil Fey Dollfuß von der geplanten Besetzung des Kanzleramts und der Verhaftung der Regierung durch Naziputschisten. Dollfuß brach die Sitzung ab und schickte die Regierungsmitglieder in ihre Ministerien. Nur wenig später fuhren LKWs auf den Ballhausplatz, 150 in gestohlene Uniformen des Bundesheeres und der Polizei gekleidete Nazis stürmten das Bundeskanzleramt. Dollfuß flüchtete durch eine Tapetentür, wurde aber von Nazis gestellt und angeschossen, er starb um 15.45 Uhr an seinen Verletzungen. Damit hatte der Putsch der Nazis in Österreich begonnen, und damit war er auch schon gescheitert.
Geplant waren die Festnahme der Regierung und des Bundespräsidenten, die abgepresste Einsetzung einer neuen Regierung, die Übernahme der Befehlsgewalt über Heer und Exekutive, die Verhaftung aller austrofaschistischen Funktionäre, mit einem Wort: die Machtübernahme. Doch die Minister mobilisierten die Exekutive, das Heer und das paramilitärische Schutzkorps; das Bundeskanzleramt wurde belagert, um 19.30 Uhr ergaben sich die Nazis.
Ausgelöst durch eine Falschmeldung des von den Putschisten besetzten Rundfunksenders kam es zum Naziaufstand in der österreichischen Provinz. Er verlief nach einem einheitlichen Muster: Sammeln in den größeren Landgemeinden, Entwaffnung der Exekutive, Marsch in die Bezirkshauptstadt, Besetzung der Regierungsgebäude. Dann sollte es in die Landeshauptstädte weitergehen und von dort der »Marsch auf Wien« erfolgen. Heer und Exekutive, so das Putschistenkalkül, würden neutral bleiben oder überlaufen.
Tatsächlich konnten die Putschisten am Abend des 25. und im Tagesverlauf des 26. Juli einige Bezirkshauptstädte besetzen und Straßen sperren. Aus Deutschland erfolgten Überfälle der »Österreichischen Legion« (einer gut ausgerüsteten SA-Truppe, formiert aus geflüchteten Nazis) auf österreichisches Gebiet, mit dabei Robert Haider, der Vater des späteren FPÖ-Führers Jörg Haider. Hauptaufstandsgebiete waren Kärnten und Oberösterreich sowie die Steiermark. In den übrigen Bundesländern blieb es ruhig. Ab dem 26. Juli schlug das Bundesheer den Aufstand nieder, am Samstag, den 28. Juli, streckten die letzten Nazis die Waffen.
Der Putsch schlug fehl, weil die illegale Naziorganisation gespalten war. Während die SS in Wien putschte, mobilisierte die SA ihre Verbände in den meisten Bundesländern nicht. SA-Führer Hermann Reschny soll sogar die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit von den Putschvorbereitungen informiert haben. Ein Grund dafür dürfte die kurz zuvor auf Befehl Hitlers erfolgte Liquidierung der SA-Spitze um Ernst Röhm in Deutschland gewesen sein. Dass es trotzdem unter der Parole »Elementarereignis« zu anfangs erfolgreichen Aufständen kam, liegt am eigenständigen Handeln örtlicher Naziführer anhand des längst ausgearbeiteten Putschplans.
Die Nazis in Österreich, anfangs eine Partei mit kleinbürgerlicher Basis, waren ab 1932 zur Massenpartei geworden. Ab Januar 1933 sah sich die heimische Reaktion zunehmend dem Anschlussdruck Deutschlands ausgesetzt. Die österreichischen Nazis traten klar als fünfte Kolonne hervor und forcierten die »Heim-ins-Reich«-Forderungen. Daher wurden im Juni 1933 die NSDAP und ihre Gliederungen von der austrofaschistischen Regierung verboten.
Die wichtigste Gegenkraft der Nazis, die österreichische Arbeiterbewegung, war durch die Ausschaltung des Parlaments, das Verbot der KPÖ und des Republikanischen Schutzbundes geschwächt und letztendlich zerschlagen. Im Februar 1934 kämpften verzweifelte Arbeiter gegen die Liquidierung ihrer letzten legalen Organisationen durch die austrofaschistische Regierung. Nach der Niederlage wurden auch die SPÖ und freie Gewerkschaften verboten. Die Dollfuß-Regierung arbeitete dann zügig an der Errichtung ihres korporatistischen Ständestaatsmodells, dem Austrofaschismus, festigte ihre Beziehungen zu Mussolinis Italien und liquidierte die sozialen Rechte der Werktätigen.
Mit der Niederschlagung des Naziputsches konnte sich der Dollfuß-Nachfolger Kurt Schuschnigg nur kurzzeitig Luft verschaffen. Verfehlte Wirtschaftspolitik, Verelendung der Werktätigen und die Annäherung Deutschlands an Italien führten zum Untergang des österreichischen Staates im März 1938.
Der von den Austrofaschisten und nach 1945 von der ÖVP forcierte Märtyrerkult um Dollfuß empörte Jahrzentelang die fortschrittliche Öffentlichkeit, für sie ist Dollfuß nicht das erste Opfer Österreichs im Kampf gegen die Nazis, sondern ein Arbeitermörder. Am Vorabend des Putsches unterzeichnete Dollfuß das Todesurteil gegen den Jungkommunisten Josef Gerl, es wurde am 25. Juli morgens vollstreckt – am Nachmittag verblutete Dollfuß auf dem Sofa des Kanzlerzimmers.