Bereits im Frühjahr 1914 verfasste Kurt Tucholsky (1890–1935) sein Faschingslied. Wir bringen es anlässlich des heutigen Beginns der “fünften Jahreszeit” – wie jedes Jahr am 11.11., um 11.11 Uhr.
Berliner Fasching (1914)
Nun spuckt sich der Berliner in die Hände
und macht sich an das Werk der Fröhlichkeit.
Er schuftet sich von Anfang bis zu Ende
durch diese Faschingszeit.
Da hört man plötzlich von den höchsten Stufen
der eleganten Weltgesellschaft längs
der Spree und den Kanälen lockend rufen:
“Rin in die Eskarpins!”
Und dese Laune, diese Graze, weißte,
die hat natürlich alle angesteckt;
die Hand, die tagshindurch Satin verschleißte,
wirkt gang leschehr nach Sekt.
Die Dame faschingt so auf ihre Weise:
gibt man ihr einmal schon im Jahr Lizenz,
dann knutscht sie sich in streng geschlossnem Kreise,
fern jeder Konkurrenz.
Und auch der Mittelstand fühlts im Gemüte:
er macht den Bockbierfasshahn nicht mehr zu,
umspannt das Haupt mit einer bunten Tüte
und rufet froh: ”Juhu!”
Ja, selbts der Weise schätzt nicht nur die hehre
Philosophie: auch er bedarf des Weins!
Leicht angefüllt geht er bei seine Claire,
Berlin radaut, er lächelt…
Jeder seins.
Quelle: Die Schaubühne, 12. Februar, Nr. 7, S. 199

















































































