HomeFeuilleton„Santo subito“: Nochmals zu Hugo Portisch

„Santo subito“: Nochmals zu Hugo Portisch

Wir veröffentlichten vor kurzem einen Nachruf auf den Journalisten Hugo Portisch, welcher sich insbesondere mit Portischs Haltung zur Sowjetunion, der Befreiung Österreichs durch die Rote Armee sowie den österreichischen Kommunistinnen und Kommunisten auseinandersetzte. Der folgende Gastbeitrag ergänzt die Kritik um weitere Aspekte – insbesondere im Hinblick auf Imperialismus und Friedensbewegung – und stellt die Frage, wem die mediale Heiligsprechung Portischs von Nutzen ist.

Gastautor: Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i.R. für Geschichte an der Universität Innsbruck.

Der Tod von Hugo Portisch gibt Anlass für ein paar Bemerkungen, welche berechnenden Interessen hinter dem Ruf „Santo subito“ von Bürgermeister Michael Ludwig und Standard-Kolumnist Hans Rauscher aufwärts stehen.

Zur Unterdrückung der Menschen gehört Betäubung und Korrumpierung des Denkens auf vielen unterschiedlichen Ebenen. Der eher nur dem Namen nach bekannte Blaise Pascal hat im 17. Jahrhundert mit seinem dialektischen Denken den Zusammenhang zwischen Gewalt und vorherrschender Meinung gesehen: „Die Gewalt ist die Herrscherin der Welt, und nicht die Meinung. Doch die Meinung ist diejenige, die von der Gewalt Gebrauch macht. Es ist die Gewalt, die die Meinung bewirkt.“ Georg Wilhelm Friedrich Hegel qualifizierte in seinen Äußerungen zur „Pressfreiheit“ als das „Substantielle“, dass „Verletzung der Ehre von Individuen überhaupt, Verleumdung, Schmähung, Verächtlichmachung der Regierung, ihrer Behörden und Beamten, der Person des Fürsten insbesondere, Verhöhnung der Gesetze, Aufforderung zum Aufruhr usf. Verbrechen, Vergehen mit den mannigfaltigsten Abstufungen sind.“ Das entsprach ganz der Ideologie des Bürgertums, das zur Befreiung aus den Fesseln des Feudalismus angetreten ist und jetzt seine Macht ideologisch über seine Medien festigte.

In Wendezeiten der Geschichte, wie wir sie in der Gegenwart erleben, werden nur wenig Differenzierungen in der vom Establishment der herrschenden Klasse vermittelten „Meinung“ zugelassen. Hugo Portisch war ein in den Jahren der McCarthy–Ära und des mörderischen Krieges gegen das koreanische Volk in den USA bestens ausgebildeter Journalist. Die Realität des US-Imperialismus hat Portisch zeitlebens im Wesentlichen beherrscht, von der Möglichkeit, neue Ideen für den Frieden und für das geschwisterliche Zusammenleben der Völker zu vertreten, machte er keinen Gebrauch. Er hat weder gegen die Verbrennung der vietnamesischen Menschen in Vietnam durch US-Napalmbomben noch gegen die systematische Folter der algerischen Freiheitskämpfer durch die französischen Kolonialtruppen Stellung genommen. Das Wort „Friede“ galt, wie Friedrich Heer eigens aufmerksam gemacht wurde, in den Kreisen von Portisch als „Schlagwort der Bolschewiken“. Was für ein Unterschied zur Wiener Journalistin Eva Priester, deren Name heute vergessen ist! Priester hat den Opfern der Kriegsverbrechen in Korea, Algerien und Vietnam einen Namen gegeben. Ihr an den Universitäten totgeschwiegenes Buch zur österreichischen Geschichte ist eine Pionierleistung. Zeitlebens und gut angepasst, bekräftigte Portisch das österreichische Klein- und Mittelstandsbürgertum in seinem Charakter, es sich zu richten. Diese der Arbeiterklasse fremden Eigenschaften hat Bruno Kreisky in seinen Erinnerungen beschrieben. Mitte der 1970er Jahre hat sich Portisch als sehr gut bezahlter Schani der Reichen und Profiteure für die massive Aufrüstung von Europa in Anlehnung an die USA eingesetzt. Seine Filme und gut bebilderten Prachtbände zur österreichischen Geschichte haben jenes brauchbare Schulwissen vermittelt, das Einsichten in die Wirklichkeit verhindert. 

Der von Albert Einstein als „Hüter und Erneuerer des Gewissens der Menschheit“ hoch geschätzte Russe Wladimir I. Lenin hat über die „Lügenbomben“ der bürgerlichen Presse geschrieben und die bürgerliche Pressefreiheit als „Lug und Trug“ gekennzeichnet, „denn in Wirklichkeit bedeutet sie die Freiheit für die Reichen, die Presse zu kaufen und zu korrumpieren, die Freiheit für die Reichen, das Volk mit dem Fusel der bürgerlichen Zeitungslügen betrunken zu machen.“ Der schweizerische Humanist Max Frisch stellt 1988 in einem Essay „Demokratie – ein Traum?“ die Frage: „Wieviel wirkliche Demokratie (Volk als Souverän) ist im real existierenden Kapitalismus überhaupt möglich?“ In Ergänzung dazu erläutert Frisch: „einmal angenommen, es sei die Mehrheit, die tatsächlich entscheidet etwa über Rüstung oder in der Wirtschaft überhaupt: Weiß denn die Mehrheit, worüber sie zu entscheiden hat? Wer unterrichtet sie, d. h. wer hat die Medien-Konzerne, um sie zu unterrichten?“ Max Frisch spricht von der „parlamentarischen Lobby-Demokratie“ und verallgemeinert, es „entscheidet ohnehin die Macht, in der freien Welt also das Kapital.“

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