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Affiger Separatismus in Kärnten

Unterhalb der Burg Landskron probt eine 25-köpfige Bande den Aufstand gegen die herrschenden Machtverhältnisse. Das umstrittene Gebiet soll nun geteilt werden.

Villach/Beljak. Ja, sorry erst mal. Die effekthascherische Überschrift und Einleitung suggerieren etwas Anderes, aber der bemühte Wissenschaftsjournalismus-Boulevard muss eben auch mit unlauteren Mitteln um Aufmerksamkeit und Leserschaft kämpfen. Also nein, es geht hier nicht um irgendeine aufgewärmte „Freistaat Kärnten“-Dystopie aus seligen Jörg Haider-Zeiten, nicht um die Ossiacher Befreiungsfront gegen die Tyrannei des Faschingismus, und auch eine neue Volksabstimmung über österreichische oder slowenische Zugehörigkeiten steht zum 100. Jubiläum nicht ins Haus – inzwischen amtiert in Klagenfurt ja auch der sozialdemokratische Landeskaiser Kaiser. Es geht hier wirklich um Affen, um genau zu sein: um Japanmakaken (Macaca fuscata). Die gibt‘s nämlich nicht nur in Japan, wo etwa 100.000 Tiere vorkommen, sondern eben auch in Kärnten.

Am „Affenberg Landskron“, den es seit 1996 gibt, leben im Gemeindegebiet von Villach (ja, eh – wo sonst?) ca. 160 Japanmakaken in einem 40.000 Quadratkilometer großen, bewaldeten Gehege – es handelt sich mehr um ein Reservat oder einen Wildpark als einen Zoo. Nachdem die überaus kluge, lern- und anpassungsfähige Primatenart winterfest ist (daher auch: „Schneeaffe“) und in nördlicheren Gefilden gut zurecht kommt, gefällt es den ostasiatischen Meerkatzenverwandten auch in Kärnten, wenngleich vor 24 Jahren mal 39 Tiere ausgebüchst sind. Die Einrichtung bei Villach bietet einen sicheren und einigermaßen artgerechten Lebensraum, für die wissenschaftliche Betreuung sorgen Kooperationen mit den Universitäten von Wien, Graz und Kyoto. Für das positive Gedeihen des Projekts spricht auch das Anwachsen der Villacher Affenpopulation, die sich seit 1996 vervierfacht hat. Damit handelt es sich bereits um eine recht große Gruppe – üblicherweise leben um die 40 Tiere in einem Gruppenverband. Die Japanmakaken von Landskron haben also mit 160 Exemplaren ein gewisses Limit erreicht.

Revolte am Affenberg

Dies macht sich nun auch bemerkbar: Es kam zum Aufstand im Makakenparadies, nachdem eine 25-köpfige Affenbande gegen die Kerngruppe revoltierte. Schon seit dem Frühjahr hatten sich Abspaltungstendenzen bemerkbar gemacht, inzwischen ist eine Trennung der beiden Gruppen unvermeidlich. Das Gehege wird nun geteilt, damit sich die beiden Gruppen aus dem Weg gehen können – gelegentlich treffen können sie sich trotzdem noch über eine Begegnungszone mit Affenklappen. Durch die Separation sollen etwaige Konflikte um Nahrung und Paarungen verhindert werden. Denn die Gruppen müssen sowohl intern als auch gegenseitig ihre Hierarchien aufrechterhalten, die im Falle der Japanmakaken nicht uninteressant sind. Zwar bilden sich in den Gruppen dominante Alphamännchen heraus, diese halten ihre Stellung jedoch nur, solange die untereinander gut organisierten Weibchen sie stützen. Auch insgesamt sind Makakengruppen matrinlinear strukturiert, geschlechtsreife Männchen müssen ab einer gewissen Größe die Gruppe verlassen. Dies dürfte auch der Hintergrund für die jetzige Entstehung der Separatistengruppierung am Villacher Affenberg sein, wo die Spaltung in zwei Populationen eine durchaus positive Entwicklung für die Arterhaltung vor Ort darstellt.

Global betrachtet sind die Japanmakaken zwar nicht gefährdet, trotzdem werden in ihrer fernöstlichen Heimat jedes Jahr bis zu 10.000 Tiere von Menschen getötet, da sie der Landwirtschaft als Schädlinge und in manchen Städten als Plage gelten. In Wirklichkeit verhält es sich wohl umgekehrt: Wenn die hochindustrielle und expansive Wirtschaft Japans den Makaken nicht beständig ihren Lebensraum reduzieren und zerstören würde, dann hätten alle ihre Ruhe. Aber das auf Profitmaximierung ausgerichtete kapitalistische System nimmt eben wenig Rücksicht auf Wildtiere und deren Bedürfnisse. Die nun zwei Gruppen am südösterreichischen Affenberg bekommen davon zum Glück nichts mit, wodurch wohl ausgeschlossen ist, dass sich der nächste Affenaufstand womöglich doch noch gegen die Menschen richtet. Die „Eroberung vom Planet der Affen“ gegen den Kapitalismus wird menschengemacht sein müssen, damit alle irdischen Primaten – Makaken ebenso wie die Hominiden – eine Zukunft in vollständiger Freiheit und Sicherheit haben.

Quelle: ORF

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