Erstmals seit Jahrhunderten ist der Krascheninnikow-Vulkan auf Kamtschatka ausgebrochen – nur Tage nach einem gewaltigen Erdbeben. Eine Aschewolke stieg kilometerhoch auf, begleitet von einem weiteren Beben und einer kurzfristigen Tsunami-Warnung. Was steckt hinter dem plötzlichen Erwachen des Vulkans?
Kamtschatka. Ein Vulkan auf der russischen Halbinsel Kamtschatka im äußersten Osten des Landes ist in der Nacht auf Sonntag ausgebrochen – laut Wissenschaftlern zum ersten Mal seit mehreren Jahrhunderten. Der Ausbruch ereignete sich nur wenige Tage nach einem massiven Erdbeben der Stärke 8,8. Der Krascheninnikow-Vulkan schleuderte Asche bis zu sechs Kilometer hoch in den Himmel, wie Mitarbeiter des Kronotsky-Naturreservats.
„Die Aschewolke breitet sich ostwärts vom Vulkan in Richtung Pazifik aus. Entlang ihres Weges liegen keine bewohnten Gebiete, und in bewohnten Orten wurde kein Ascheregen registriert“, schrieb das Katastrophenschutzministerium von Kamtschatka während des Ausbruchs auf Telegram.
Der Ausbruch wurde von einem Erdbeben der Stärke 7,0 begleitet und führte zu einer Tsunami-Warnung für drei Gebiete Kamtschatkas. Diese Warnung wurde später vom russischen Zivilschutzministerium wieder aufgehoben.
Letzter Ausbruch noch vor Iwan dem Schrecklichen
„Dies ist der erste historisch bestätigte Ausbruch des Krascheninnikow-Vulkans seit 600 Jahren“, sagte Olga Girina, Leiterin des Kamtschatka-Teams zur Überwachung von Vulkanausbrüchen, der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti.
Laut dem Kamtschatka-Team zur Überwachung vulkanischer Aktivitäten (KVERT) des Instituts für Vulkanologie und Seismologie hat der Vulkan in der gesamten dokumentierten Forschungsgeschichte nicht eruptiert. Die letzte Lavaausschüttung fand im Jahr 1463 (±40 Jahre) statt. Im Jahr 1963 wurden in einem seiner Krater erstmals wieder Gasaustritte beobachtet.
Das Global Volcanism Program des Smithsonian-Instituts in den USA listet den letzten Ausbruch des Krascheninnikow übrigens für das Jahr 1550 – also vor 475 Jahren. Das Kamtschatka-Überwachungsteam teilte am späten Sonntag mit, dass die Aktivität des Vulkans zwar abnehme, jedoch mit „mäßiger explosiver Aktivität“ weiterhin zu rechnen sei.
Vorgeschichte
Die Erdbebenserie auf Kamtschatka begann Ende des letzten Monats. Nach den unterirdischen Erschütterungen am 20. Juli in der Awatschinskaja-Bucht registrierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erste kleine Gasemissionen am Awatschinski-Vulkan.
Am 30. Juli wurde eines der stärksten Erdbeben der letzten Jahrzehnte weltweit gemessen. Expertinnen und Experten bezeichneten das seismische Ereignis als „Mega-Erdbeben“ mit einer Magnitude von 8,7.
Als erste Reaktion darauf brach der Kljutschewskoi-Vulkan aus, der eine Aschesäule bis in 6 Kilometer Höhe schleuderte. Obwohl der Vulkan aktiv ist, war sein letzter Ausbruch laut Alexei Oserow, Direktor des Instituts für Vulkanologie und Seismologie des Fernöstlichen Ablegers der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAW), vergleichsweise schwach – es wurden nur geringe Mengen Asche und vulkanische Bomben in 200–300 Meter Höhe ausgeworfen.
Vulkanologe und Geophysiker Sergej Samojlenko, Gründer des Museums „Vulkanarium“ auf Kamtschatka, vermutet, dass sich der Ausbruch am Kljutschewskoi verstärkte, weil sich der Ausflusskanal freiräumte oder Teile des Kraters einstürzten. Dadurch floss Lava in Richtung des Bogdanowitsch-Gletschers. Am 30. Juli maß der Lavafluss laut Institut 1,5 Kilometer, am 3. August waren es bereits 3,5 Kilometer.
Das Erwachen des Krascheninnikow-Vulkans wird direkt mit dem Rekord-Erdbeben vom 30. Juli in Verbindung gebracht. Auch wenn sich der Vulkan laut Stand vom 4. August leicht beruhigt hat, sehen Expertinnen und Experten darin kein Ende der Aktivität. Im Gegenteil: Weitere Eruptionen sind wahrscheinlich. Touristen werden gebeten, Abstand zu halten – nicht nur wegen dem Krascheninnikow-Vulkan: Auf Kamtschatka gibt es insgesamt 28 aktive Vulkane. So nehmen Wissenschaftler etwa Berichte von Anwohnern über laute Grollgeräusche am Vulkan Kambalny sehr ernst.