HomeInternationalesGewerkschaftlicher Protest hat sich ausgezahlt: Frankreich stoppt „Reform“ der Arbeitslosenversicherung

Gewerkschaftlicher Protest hat sich ausgezahlt: Frankreich stoppt „Reform“ der Arbeitslosenversicherung

Frankreich. Der Staatsrat Frankreichs und damit die oberste Verwaltungsjustiz des Landes hat vergangene Woche die Pläne der Regierung zur Reform der Arbeitslosenversicherung vorerst gestoppt. „Die Unsicherheit der wirtschaftlichen Situation [würde] es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erlaubt, die neuen Regeln einzuführen“, mit diesen Worten wies der Rat die Pläne zurück. In Frankreich muss der Staatsrat vor Inkrafttreten gesellschaftlich besonders relevanter Gesetze konsultiert werden. Die jüngste Entscheidung des Rates, das neue Gesetz – zumindest vorerst – nicht zu ratifizieren, ist ein Etappensieg der Arbeiterklasse und ihrer Gewerkschaften. Denn die geplante Reform hätte jenen Erwerbslosen, die zuvor nicht mindestens sechs – statt bisher vier – Monate gearbeitet haben, eine finanzielle Hilfe verweigern. Zudem hätte der finanzielle Ausgleich um durchschnittlich 17 Prozent gegenüber der bisherigen Regelung gekürzt werden sollen.

In den Reformplänen des Staatschef Emmanuel Macron und seiner Regierung sah der Staatsrat eine nicht hinnehmbare „signifikante Bestrafung“ vor allem jener Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund prekärer Beschäftigungsverhältnisse eine „unsichere“ Zukunft hätten. Dies würde vor allem Beschäftigte im Handel, Tourismus oder Hotelgewerbe besonders hart treffen, da sie auch schon vor der Pandemie mit Kurzzeitverträgen abgespeist wurden. Laut der staatlichen Arbeitsagentur UNÉDIC sind derzeit rund 1,15 Millionen ohne Job und haben das Erwerbslosengeld beantragt. Viele von ihnen sind jüngere Lohnabhängige.

Während die französischen Gewerkschaften ihren Sieg feiern, gibt sich Marcons Regierung nicht geschlagen. Denn laut Macrons Arbeitsministerin Élisabeth Borne, habe der Staatsrat die Regierung lediglich „gebeten, noch ein bisschen zu warten“. So sei ja „nur das Datum“ für das Inkrafttreten des Gesetzes abgelehnt worden. Eine Lesart, die zwar keine der großen Gewerkschaften teilt, jedoch könnte dies ein Hinweis sein, dass es sehr bald zu neuen Angriffen gegen die Erwerbslosen in Frankreich kommen werde. Und tatsächlich soll per Dekret zunächst die Gültigkeit des alten Regelwerks nur bis Ende September verlängert werden. Macron und sein Premierminister Jean Castex wird also bereits in drei Monaten nachlegen, um die Entscheidung des Staatsrats zu revidieren und eine Reform der Erwerbslosenversicherung noch vor der nächsten Präsidentschaftswahl durchzudrücken.

Der Rechtsanwalt der Gewerkschaft CGT (Confédération Générale du Travail), Antoine Lyon-Caen, gibt sich dennoch siegessicher, denn er geht davon aus, dass aktuelle und auch künftige Regierungen das Regelwerk in seiner gegenwärtigen Form vermutlich „über Jahre hinaus“ nicht mehr in die Praxis umsetzen würden können. Denn das Gericht habe erkannt, „dass die beschlossenen (gesetzlichen) Maßnahmen nicht die erwarteten Resultate erreichen“ würden.

Quelle: jungewelt

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