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Gute und böse Atombomben

Während man sich im Westen über Pläne zur Stationierung russischer Nuklearwaffen in Belarus empört, übersieht man geflissentlich, dass in Deutschland, Italien, Belgien, den Niederlanden und der Türkei hunderte US-Atomraketen auf Russland gerichtet sind.

Moskau/Minsk/Brüssel. Nach der Ankündigung der russischen Regierung, im benachbarten und verbündeten Weißrussland taktische Atomwaffen zu stationieren, gingen teilweise die Wogen hoch: Vor allem in Kiew und Warschau zeigte man sich empört und sprach von einer Eskalation und unmittelbaren Bedrohung. In Wirklichkeit ist die Maßnahme jedoch von geringer militärischer und eher nur symbolischer Bedeutung, denn russische Nuklearraketen können ohnedies jeden beliebigen Punkt auf der Welt erreichen. Gleiches gilt natürlich für das Atomwaffenarsenal der USA.

Die politische und mediale Heuchelei ist freilich wieder einmal entlarvend, denn eine Handvoll taktischer – nicht strategischer – Sprengköpfe auf weißrussischem Staatsgebiet stehen in keinerlei Verhältnis zu den in Europa bereits vorhandenen nuklearen Raktensilos. Denn neben den rund 300 französischen und 225 britischen Atomsprengköpfen sind auch in anderen europäischen Staaten Kernwaffen stationiert – im Sinne der „nuklearen Teilhabe“ der NATO und der USA.

Insgesamt beläuft sich das diesbezügliche Ausmaß auf 150 bis 200 US-Sprengköpfe. Die meisten davon, nämlich rund 50, lagern auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik. Jeweils mindestens 20 Atombomben befinden sich in den Niederlanden (Militärflugplatz Volkel), in Belgien (Fliegerbasis Kleine-Brogel), auf den italienischen Stützpunkten Aviano und Ghedi sowie am Fliegerhorst Büchel in Deutschland. Seit dem Ende der UdSSR und des Warschauer Vertrages wurden diese Arsenale auf die nunmehrigen 150 Stück reduziert, doch es bleibt mehr als genug für die atomare Bedrohung Russlands durch die NATO. Und die darf das natürlich.

Man sieht wieder: Internationale Regeln wie der Atomwaffensperrvertrag gelten eben nur für die anderen, aber nicht für die USA und die NATO. Tatsächlich sind die in Deutschland und anderen europäischen Nichtatommächten stationieren Nuklearbomben eine erhebliche Gefahr, sowohl, was einen etwaigen Einsatz betrifft, als auch bezüglich der Möglichkeit, dass die fraglichen Standorte selbst zu militärischen Zielen werden könnten.

Man kann Atombomben nun mal nicht in gute und böse unterteilen. Seit die USA als erster und einziger Staat der Welt im Sommer 1945 diese einsetzten, Hiroshima und Nagasaki auslöschten und damit die größten Einzelkriegsverbrechen der Geschichte begingen, sollte allen klar sein, dass die bloße Existenz von Atomwaffen ein Verbrechen gegen die Menschheit darstellt – egal, aus welcher Produktion, egal, an welchem Standort.

Quelle: ORF / Bundeszentrale für politische Bildung

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