Nachdem die Einheiten der dschihadistischen Hayat Tahrir al-Scham (HTS) die Regierung Baschar al-Assads in Syrien stürzen konnten, bleibt die Lage weiterhin ungewiss. Israel, das schon Wochen zuvor Angriffe auf syrisches Territorium, unter anderem auf die Hauptstadt Damaskus, durchgeführt hatte, attackierte Syrien seit der Machtübernahme der HTS über 480 mal.
Damaskus. Israel selbst spricht wie gewohnt von „Selbstverteidigung“ und „präventiven Schlägen“ gegen Terroristen. Das internationale Völkerrecht erkennt das Recht auf kriegerische Handlungen zur Selbstverteidigung einerseits nur auf eigenem Territorium an, andererseits gibt es auch keinerlei völkerrechtliche Basis für solche „präventive Schläge“.
Neben Luftangriffen auf wichtige Flughäfen, Marineschiffe, Luftverteidigungsanlagen und andere strategische Infrastruktur, rückten israelische Truppen auch mindestens 18 Kilometer in die Pufferzone zwischen dem von Israel illegal besetzten Teil der Golanhöhen und syrischem Territorium vor. Benjamin Netanjahu erklärte diese seit 1974 entmilitarisierte Zone entlang der Golanhöhen am Montag für einen Teil Israels „bis in die Ewigkeit“.
Interessant ist, dass Israel die HTS, die früher als Al-Nusra Front bekannt war und aus al-Qaida hervorging, während des Bürgerkrieges unterstützte – ebenso wie die USA und die Türkei. Israel fokussierte seine Angriffe auf Positionen der syrischen Armee und somit die Assad-Regierung, die zumindest bis zum Deutlichwerden der Unvermeidbarkeit ihres Sturzes, iranische und russische Unterstützung erfuhr. Jetzt, wo die Assad-Regierung gefallen ist, lässt sich der weitere israelische Vorstoß in die Golanhöhen und damit ein Teil der zionistischen Bemühungen um ein Großisrael verwirklichen, und zwar ohne mit wahrnehmbaren Widerstand rechnen zu müssen.
Am Freitag erklärte das Büro des israelischen Verteidigungsminister Israel Katz, dieser habe die Armee angewiesen, einen Verbleib auf dem Gipfel des strategisch wichtigen Berg Hermon, dem höchsten Punkt der Golanhöhen, für die kommenden Wintermonate vorzubereiten.
Die Stimmen zur Zerstückelung Syriens werden auch in Israel lauter. Am Montag interviewte die „Times of Israel“ einen Wissenschaftler und ehemaligen Angehörigen des israelischen Militärs, der vorschlug, Syrien in eine Reihe von Kantonen aufzuteilen, von denen jeder mit externen Akteuren, einschließlich Israel, zusammenarbeiten könnte. Auch Benny Gantz, Vorsitzender der Partei der Nationalen Einheit und Netanjahu-Gegner, sagte am Montag vor Reportern, dies sei „eine Chance von historischem Ausmaß“ für Israel. Er forderte die politischen Entscheidungsträger auf, „unsere Beziehungen zu den Drusen, Kurden und anderen Gruppen in Syrien auszubauen“.
Der Unmut vieler Gruppen, vor allem ethnischer und religiöser Minderheiten, über den Sieg der dschihadistischen HTS, zu dem Israel selbst seinen Teil beitrug, soll nun wiederum vom zionistischen Staat genutzt werden um den eigenen Einfluss in Syrien zu vergrößern.
Quellen: Al Jazeera/Times of Israel/Tagesschau