HomeInternationalesNach 12 Jahren ausgezwitschert: Twitter dumpt Trump

Nach 12 Jahren ausgezwitschert: Twitter dumpt Trump

Im Gefolge des Sturms auf das US-Kapitol wurde US-Präsident Donald Trump von Twitter gesperrt – eine Entscheidung, die man allgemeiner hinterfragen muss.

San Francisco/Washington D.C. Seit März 2009 war Donald Trump unter @realDonaldTrump auf dem Kurznachrichtenportal Twitter unterwegs, nun wurde sein Account von der Führung des kalifornischen Internetunternehmens dauerhaft stillgelegt. Schon zuvor war Trump im Gefolge der Ereignisse rund um das Kapitol vorübergehend gesperrt worden, nun bleibt er nachhaltig ausgeschlossen. Damit verliert Twitter einen Aktivposten mit rund 89 Millionen Followern – nur wenige Personen verfügen über mehr, Trump liegt bzw. lag in einer Liga mit globalen Superstars wie Cristiano Ronaldo oder Taylor Swift. Auch die Frequenz der Tweets von Trump war (v.a. in den letzten fünf Jahren) beachtlich, seit 2009 setzte er über 56.000 Tweets ab. Man fragt sich, wie dieser Mann nebenbei Präsident der USA sein konnte. Die Maßnahme von Twitter – und bei Facebook, Youtube etc. droht Trump ähnliches – rechtfertigt sich mit den hetzerischen Aufrufen des Präsidenten sowie seinen Lügen über tatsächliche Sachverhalte, denn diese hätten schlussendlich zu den Unruhen am Capitol Hill geführt, wobei fünf Menschen starben.

Trotzdem ist die Sache nicht unproblematisch. Natürlich: Donald Trump ist unzurechnungsfähig, dumm und gefährlich – keine Frage. Doch er ist immer noch der vor vier Jahren demokratisch gewählte sowie, wenngleich nur noch für wenige Tage, amtierende Präsident der Vereinigten Staaten, d.h. Staats- und Regierungschef eines souveränen Landes von nicht unerheblicher Bedeutung. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur der eingangs erwähnte persönliche Account lahmgelegt wurde, sondern auch der offizielle Account der US-Präsidentschaft (@POTUS) blieb Trump verwehrt. Insofern darf man schon ein bisschen vorsichtig sein, wenn aufrichtige Trump-Gegner die Entscheidung von Twitter nun leichtfertig bejubeln. Es ist die Managerelite eines milliardenschweren privatkapitalistischen IT-Konzerns, die mit der Sperre Trumps massiv in politische Angelegenheiten interveniert. Das mag unternehmensrechtlich und bezüglich der selbsterstellten Geschäftsbedingungen möglich und im konkreten Fall eine Erleichterung für die Öffentlichkeit sein, doch demokratiepolitisch ist es höchst irritierend. Ob es einem gefällt oder nicht, aber die Social Media-Nutzung gehört mittlerweile nun mal zu einer wichtigen Form der gesellschaftlichen Kommunikation sowie der freien Meinungsäußerung und Information. Wenn ein Konzern mit quasi-Monopol hier nach Belieben eingreifen kann, dann ist das bedenklich. So wenig schade es im Trump sein möge, so ist klar, was dies impliziert, nämlich die potentielle jederzeitige Sperre von Usern (Privatpersonen wie Organisationen), die der Konzernführung politisch, ökonomisch, kulturell usw. missliebig sind. Auch wenn es aktuell einen Rechten und dessen rechtsextreme bis faschistische Anhängerschaft betrifft, so kann man sich leicht ausrechnen, dass am Ende des Tages immer antikapitalistische, revolutionäre, antiimperialistische, linke, antifaschistische User und Gruppen das eigentliche Ziel sein werden (wie in der Vergangenheit auch schon der Fall) – denn diese sind es, die tatsächlich gegen privatkapitalistische Konzerninteressen agieren (müssen). Kleiner aktueller Hint: Erst am vergangenen Montag sperrte Facebook einen journalistischen Bericht der Tageszeitung „junge Welt“ über Polizeibrutalität bei der Berliner LLL-Demo.

Insofern sollte man sich nicht bereitwillig dem letztinstanzlichen Entscheidungsmonopol und „moralischen“ Urteil von Milliardären wie Mark Zuckerberg, Jack Dorsey oder Larry Page unterwerfen. Es ist klar, dass mit der gegebenen IT-medialen Machtkonzentration dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet ist, der politisch letztlich untragbar und unerträglich ist. Und dies zeigt: Informations- und Kommunikationstechnologie von politischer Relevanz gehört nicht in privatkapitalistische Hände, sondern unter demokratische Kontrolle – zumindest mal indirekt. Das wird’s im Kapitalismus freilich nicht spielen. Schlussendlich muss man Twitter, Facebook, Google & Co. natürlich enteignen, aber dafür braucht es eine sozialistische Revolution, die das zentralisierte Monopolkapital aller Bereiche in tatsächliches Volkseigentum überführt. Bis dahin dürfen sich einige gut überlegen, was zu begrüßen ist – und was bei genauerem Hinsehen ein Schritt in einen demokratiefeindlichen und unkontrollierten privatkapitalistischen Autoritarismus mit Willkürelementen ist, der sich in seiner plutokratischen Selbstermächtigung nicht viel mehr um Entscheidungsfindungen der (bürgerlichen) Demokratie schert als Donald Trump.

Quelle: Der Standard

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