Istanbul. In Istanbul hat die Polizei die geplante Mai-Demonstration zum symbolträchtigen Taksim-Platz unterbunden. Dabei kam u.a. Tränengas zum Einsatz, wie durch Medien dokumentiert wurde. In diesem Zusammenhang verwickelte die Polizei die Demonstranten in gewaltsame Auseinandersetzungen. Auch die Kommunistische Partei der Türkei (TKP), die Mitglied der Europäischen Kommunistischen Aktion ist, war vor Ort an vorderster Front.
Blockade des Taksim-Platzes verfassungswidrig?
Der 1. Mai ist der Tag der Einheit, des Kampfes und der Solidarität von Millionen von Arbeiterinnen und Arbeitern. Mit dieser Forderung gingen die Werktätigen in der Türkei auf die Straßen und füllten die Plätze. Die Augen waren auf den Taksim-Platz gerichtet, der von der Regierung mit 42.000 Polizisten abgeriegelt wurde.
Sicherheitskräfte haben den Weg vom Stadtviertel Saraçhane zum Taksim-Platz durch mehrere Reihen blockiert. Berichten zufolge wurden 70 Personen festgenommen. Die Behörden hatten ein Demonstrationsverbot für den Taksim-Platz erlassen und das Zentrum großflächig abgesperrt, angeblich aus Sicherheitsgründen. Amnesty International kritisierte diese Behauptung als „fadenscheinig“ und verwies auf ein Urteil des Verfassungsgerichts, das ein Demonstrationsverbot auf dem Platz im Vorjahr als verfassungswidrig eingestuft hatte. Amnesty forderte die Aufhebung des Verbots.
Die Gewerkschaften und Parteien, die in diesem Jahr auf den Taksim-Platz marschieren wollten, trafen sich in Saraçhane-Park. Tausende von Menschen versammelten sich seit den frühen Morgenstunden vor der Polizeibarrikade. Özgür Özel, Vorsitzender der sozialdemokratischen CHP, und der Bürgermeister der Stadt Istanbul, Ekrem İmamoğlu, waren ebenfalls anwesend. Nachdem sie über die Bedeutung der 1.-Mai-Feierlichkeiten am Taksim-Platz gesprochen hatten, stiegen sie jedoch in ihre Autos und verließen das Gelände.
In der Zwischenzeit versuchten andere Parteien und Gewerkschaften, die Polizeibarrikade zu durchbrechen und wurden dabei heftig bedrängt. Wenige Minuten später gaben die Organisatoren der Versammlung bekannt, dass die Kundgebung abgesagt wurde. Als sich der Platz teilweise leerte, drängte die Polizei die Menge weg vom Saraçhane-Park.
Die Einschätzung der TKP zu den Vorgängen
Die Kommunistische Partei der Türkei war bis zum letzten Moment mit Tausenden ihrer Mitglieder vor Ort. Der Generalsekretär der TKP, Kemal Okuyan, der das Geschehen vor Ort verfolgte, bewertete die Ereignisse wie folgt.
Er wies auf die Bedeutung des Kampfes um den Taksim-Platz und betonte, dass Tausende von Menschen trotz der Verbote nicht klein beigegeben haben: „Heute haben Tausende von Menschen in der Türkei versucht, dem Tag des Kampfes der Arbeiterklasse gerecht zu werden. Es finden weiterhin Kundgebungen statt. Aber es war die Kundgebung in Istanbul, über die alle diskutierten und über die sich alle wunderten. In Saraçhane wurde ein sehr starker Wille gezeigt, den historischen Wert des Taksim-Platzes als Platz des 1. Mai zu erhalten. Trotz Verboten, Drohungen und provokativen Äußerungen versammelten sich Tausende von Menschen in Saraçhane. Dies ist äußerst wichtig.
Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass das von der politischen Macht verhängte Verbot des Taksim-Platzes mit dem Argument der „Sicherheit“ außerordentlich absurd ist. In fast der Hälfte von Istanbul herrscht Kriegsrecht. Sie haben Mittel eingesetzt, die weit über die Sicherheit einer Kundgebung am Taksim hinausgehen, um die Istanbuler Bürgerinnen und Bürger sowie Werktätigen einen Tag lang leiden zu lassen. Tausende von Menschen haben gezeigt, dass sie sich das nicht gefallen lassen werden“, so Okuyan gegenüber der türkischen Zeitung SoL. Er betonte, dass die anderen Kräfte weder mit Plan noch wirklich entschlossen vorgegangen seien, die TKP aber ihrer Verantwortung mit Entschlossenheit nachgekommen sei.
Verantwortung der TKP gegenüber der Arbeiterklasse in der Türkei
Okuyan kündigte an, dass sie nicht mehr an den Maidemonstrationen teilnehmen werden, die von denselben Organisatoren organisiert werden, nach dem, was heute in Saraçhane passiert ist, und sagte:
„Wir werden nicht mehr an den Maifeiern teilnehmen, die von dieser Gewerkschaftsvereinigung organisiert werden. Wir halten heute fest: Niemand soll sagen, dass die TKP dies oder jenes tut. Wir haben eine Verantwortung gegenüber der Arbeiterklasse der Türkei. Wir haben eine Verantwortung gegenüber unserem Volk, unseren Mitgliedern, unseren Freundinnen und Freunden. Heute haben wir mit dieser Verantwortung gehandelt. Wir haben bis zum Ende ausgeharrt.
Wenn es im nächsten Jahr einen 1. Mai braucht, um den Kampf zwischen der Arbeiterklasse der Türkei und der Kapitalistenklasse zu führen, hat die Kommunistische Partei der Türkei die Fähigkeit und die Entschlossenheit, diesen 1. Mai zu organisieren. Natürlich handeln wir gemeinsam mit denjenigen, die dies ehrlich wollen, mit einem ähnlichen Anspruch, Verantwortung und Entschlossenheit. Aber wir werden uns nicht länger an diesem Unsinn beteiligen.“