HomeKlassenkampfMenschenhandel, Lohndumping und Scheinselbständigkeit bei Leiharbeit

Menschenhandel, Lohndumping und Scheinselbständigkeit bei Leiharbeit

Wien. Im Juni 2022 wurde ein österreichweiter Fall von mutmaßlichem Menschenhandel und organisierter Scheinselbstständigkeit aufgedeckt. Die Arbeiterkammer Wien, UNDOK und die PRO-GE gingen nun mit dem Fall an die Öffentlichkeit.

Systematische Ausbeutung von Asylwerbenden

Kern der Causa: Ein deutscher Staatsbürger und eine österreichische Staatsbürgerin verliehen durch ihre (mittlerweile insolvente) Firma S.H.G. über Jahre hinweg mehr als 200 Kolleginnen und Kollegen aus Drittstaaten an zahlreiche bekannte Unternehmen – u. a. wurden sie bei Franchisenehmern von Burger King, IQ Autohof, anderen Tankstellenbetreibern und Securitas eingesetzt. Jetzt machen die Betroffenen mit Unterstützung der AK Wien ihre Ansprüche gegenüber den Beschäftigern geltend.

Die Eigentümer der S.H.G. setzten die Arbeitenden – mehrheitlich Asylwerbende mit irakischen Papieren – gezielt unter Druck, um Gewerbeberechtigungen einzuholen. Die Kolleginnen und Kollegen legten aus diesem Grund jeden Monat Rechnungen an S.H.G. und waren als gewerblich selbstständig Erwerbstätige bei der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) versichert.

Scheinselbstständigkeit

Tatsächlich arbeiteten die Kolleginnen und Kollegen aber alles andere als selbstständig: Ihre Arbeitszeiten wurden von der S.H.G. festgelegt. In den Betrieben der Auftraggeber arbeiteten sie wie normale abhängig Beschäftigte mit – aber eben zu Dumpinglöhnen. An ihren Arbeitsstätten (Tankstellen, Gastronomie, Fußballstadien, Baustellen, Altersheime etc.) unterlagen sie den Weisungen der dortigen Chefs und verwendeten deren Betriebsmittel. Die Betroffenen waren also allesamt Scheinselbstständige.

Lohndumping – Bruttostundenlohn von 9,50 Euro

Im Ergebnis umging die S.H.G. damit die Regelungen der Arbeitskräfteüberlassung. Gezahlt wurde den Arbeitenden ein Bruttostundenlohn von 9,50 Euro, was weit unter dem kollektivvertraglichen Mindestlohn liegt. Direkte Profiteure waren aber auch die Auftraggeber der S.H.G. Nach Verträgen, die der AK Wien vorliegen, bezahlten mehrere Auftraggeber pro Arbeitsstunde zwischen 14,50 Euro und 16,50 Euro. Das liegt nicht nur deutlich unter den üblichen Preisen in der kommerziellen Arbeitskräfteüberlassung, sondern deckt nicht einmal die real zustehenden Lohnkosten. 

Rechtswidrige Pauschalen, überlange Arbeitszeiten

Darüber hinaus zog S.H.G. den Kolleginnen und Kollegen auch noch rechtswidrige Pauschalen für Transport und Unterkunft sowie nicht weiter definierte Abschlagszahlungen ab. Überlange Arbeitszeiten, Verletzung der Ruhezeiten, nicht bezahlte Überstundenzuschläge und fehlende Sonderzahlungen waren Teil dieses Systems. Wurden Arbeitnehmer:innen krank oder wollten Urlaub, wurde sofort mit Kündigung gedroht.

Der Fall zeigt deutlich, wie Profit auf Kosten von besonders vulnerablen Gruppen gemacht wird. S.H.G. hat laut ÖGK mehr als 800.000 Euro an Abgaben hinterzogen. Nachdem S.H.G. Insolvenz angemeldet hat, können die Betroffenen nur fromm hoffen, noch etwas von dem zu bekommen, das ihnen zusteht. Es werden Klagen gegen die Konzerne, die die Scheinselbstständigen beschäftigt haben, durch die Arbeiterkammer Wien vorbereitet.

Quelle: AK Wien

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