HomePolitikKampf gegen Fake News mit politischer Schlagseite

Kampf gegen Fake News mit politischer Schlagseite

Unter dem Vorwand, gefährliche Falschnachrichten zu bekämpfen, wird durchaus auch einseitige Stimmungsmache betrieben. Wenn weisungsgebundene Polizisten und EU-Beamte über die Wahrheit entscheiden sollen, ist Feuer am Dach.

Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass die mediale Berichterstattung auf Fakten basiert und Fehlinformationen von unabhängiger Seite transparent richtiggestellt werden kann. Das ist genau das Gegenteil dessen, was EU und Bundesregierung als „Kampf gegen Fake News“ verkaufen wollen.

Denn zusammen mit Informationen über tatsächlich abstruse Verschwörungstheorien, teils gefährliche „Heilungsmethoden“ & Co. fährt die Seite „EUvsDisinfo“ eine antirussische Kampagne und dreht sich dabei die Wahrheit selbst massiv zurecht. Ein paar Beispiele für das fragwürdige Agieren der „Wahrheitswächter“ ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

EU-Kritik als Lüge diffamiert

Was ist von folgenden Sätzen zu halten: „Im Gegensatz zu Ländern wie Kuba und China hat die EU Italien nicht geholfen.“ Und: „Die EU zerfällt in der Coronakrise“. Der erste Satz ein Werturteil in Angesicht der gelieferten bzw. blockierten Hilfsgüter, der zweite Satz eine Prognose? Könnte man meinen, für „EUvsDisinfo“ ist das aber gefährliche Falschinformationen auf dem Level von „Die NATO/China/Bill Gates/Pamela Rendi-Wagner hat das Virus gezüchtet und wir sollten alle Chloroquin schlucken“ (Achtung, Satire!).

Wer der EU in der aktuellen Situation Untätigkeit oder planloses Agieren vorwirft, ist in den Augen der Brüsseler Wahrheitsbeauftragten Verbreiter von „pro-Kreml Fake-News“. Dazu muss schon mal auf Gedankenakrobatik zurückgegriffen werden. So führt die Organisation willkürlich alle Fakten auf, die man irgendwie als Unterstützung für Italien bezeichnen könnte (50 Millionen Euro oder 83 Cent pro Italiener Hilfszahlung durch die EU-Kommission, das Weiterleiten einer Maskenlieferung aus China (!) an Italien und selbstverständlich das 750-Milliarden EZB-Programm für die Finanzmärkte. Inwiefern exzessive Anleihenkäufe unmittelbar die Lage eines Intensivpatienten in einem Feldlazarett in Bergamo verbessert hat, müsste nur noch ausgeführt werden). Dass unter den Augen Brüssels für Italien bestimmte Maskenlieferungen etwa von Deutschland und Frankreich blockiert wurden, als sie dringend benötigt wurden, passt den selbsternannten Faktencheckern natürlich nicht ins Bild und muss daher verschwiegen werden. Dafür wird die Aufnahme von Patientinnen und Patienten durch einzelne Staaten – womit die EU gar nichts zu tun hat – stolz angeführt.

„EUvsDisinfo“ wurde 2015 explizit zur Bekämpfung von „russischer Fehlinformation“ gegründet und ist Teil des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Die Seite dient in ihrer Konzeption mitnichten der Wahrheit, sondern den Interessen der EU im von allen imperialistischen Mächten geführten Kampf um die Meinungshoheit. So wurde wiederholt Kritik an Nato-Manövern in Osteuropa als Desinformation dargestellt. Dennoch nennen auch heimische Medien die Seite oft als glaubwürdige Quelle, wenn über „Fake News“ berichtet wird.

Kommissar APA „entlarvt“ pro-Kuba-Applaus

Natürlich gibt es auch hier eine österreichische Schmalspur-Variante. Die APA, die österreichischen Presseagentur, kümmert sich ebenfalls um gefährliche Fehlinformation – etwa, dass Delfine in den Hafen von Triest zurückgekehrt seien oder die Italiener kubanischen Ärzten applaudiert hätten. Das darf natürlich nicht passiert sein. So konnte ein entsprechendes Video, das von einer Handvoll Facebook-Accounts geteilt worden war, auf den Flughafen Havanna zurückverfolgt werden. Dass sich dennoch Italiener über die praktische Solidarität aus Kuba gefreut haben, wäre zumindest denkbar. Die Akribie bei der Recherche von irgendwelchen Mitteilungen in sozialen Medien überrascht in Relation zu gewichtigeren Falschmeldungen bzw. Lügen doch etwas:

Staatsnahe Stellen offenbar sakrosankt

Wie mehrere Medien berichteten, schickte der ÖVP-durchsetzte Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) an 170.000 Migrantinnen und Migranten die Falschmeldung: „Sie dürfen das Haus nur verlassen, um arbeiten zu gehen oder für dringende Einkäufe oder Arztbesuche. Bei Verstößen drohen hohe Strafen!“ Die Information, dass man unter Einhaltung von Mindestabständen natürlich auch spazieren darf, wurde einfach unterschlagen, deckte der freie Journalist Michael Bonvalot auf. Auch das Innenministerium selbst verbreitete ähnlich mangelhafte und damit irreführende Meldungen. Warum schlug eigentlich hier keine „offizielle“ Fake-News-Stelle Alarm, sondern musste jemand in Eigenregie aufwändig recherchieren, um die Sache aufzuklären? Ganz einfach: Die mehrsprachigen und irreführenden push-Nachrichten an Migrantinnen und Migranten liefen selbst unter dem Motto „Fakten statt Fake News“.

Ins Bild passt da auch die Zusammensetzung des Digitalen Krisenstabs im Bundeskanzleramt. Dieser ist zuständig für das Aufspüren und Richtigstellen von Falschmeldungen ums neuartige Coronavirus. Statt Wissenschaftlern, Ärztinnen, Juristen oder zumindest Menschen mit Expertise in Sozialen Medien wurden Polizeischüler (!) damit beauftragt, das Netz nach Falschinformationen zu durchsuchen.

Diskreditierung eines wichtigen Anliegens

Es ist höchst problematisch, wenn die Polizei und damit die ihr übergeordnete Regierung sich anmaßt, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Wissenschaftlich untermauerte Aufklärung über gesundheitlich riskante „Empfehlungen“ aus dem Netz bietet etwa die WHO; die Begehrlichkeiten der Politik und Sicherheitsapparate gehen – wie gezeigt – aber eindeutig über das Abwenden unmittelbarer Gefahren hinaus. Dabei wäre eine unabhängige Kontrolle gerade von offiziellen Verlautbarungen zumindest so bedeutsam wie das Aufspüren von mehr oder weniger populären Mythen in sozialen Medien. So führte der Ratschlag von US-Präsident Trump, Chloroquin zur Behandlung von COVID-19 einzusetzen, tatsächlich zu mindestens einem Todesfall. Nimmt man den Kampf gegen gefährliche Falschmeldungen ernst, muss er von unabhängigen Stellen bzw. Gerichten geführt werden und darf nicht Teil der „strategischen Kommunikation“ oder Message-Control sein.

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