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24h-Pflege … moderne Sklavenarbeit?

Marie Jaeger, Mitglied der Partei der Arbeit Österreichs und Soziologin

2007 ist in Österreich das Modell der 24h-Pflege legalisiert worden. Hier kommen osteuropäische Pflegerinnen* und kümmern sich in einer Unterbietung hiesiger Arbeitsstandards um Pflegebedürftige. Dieses Modell ist dem geschuldet, dass in Österreich die Meinung vorherrscht, dass man so lange wie möglich zuhause leben und hier umsorgt werden sollte. Früher wurde diese Pflege oft durch Töchter oder Schwiegertöchter übernommen, mit der zunehmenden Frauenerwerbsarbeit ist das aber nicht mehr in dem Ausmaß möglich. Ins Altenheim möchte man die lieben Angehörigen jedoch auch nicht geben, das Altern im Kreis der Familie bleibt das Ideal. Vor diesem Hintergrund hat sich für die besser verdienenden Familien in Österreich dieses Modell etabliert, was eine vermeintliche Win-Win-Situation für die Pflegerinnen und diejenigen, die es in Anspruch nehmen, sei.

Da österreichische Pflegerinnen unter Einhaltung der Arbeitsstandards teurer wären, wenn sie 24 Stunden, sieben Tage die Woche arbeiten würden, wurde sich für das Modell der Migrantin, die in den Haushalten der zu betreuenden Person wohnt, entschieden. Dies hat neben dem, dass diese für weniger Geld arbeitet, auch den Vorteil, dass man quasi unbegrenzten Zugriff 24 Stunden am Tag auf die Betreuerin hat. Es gibt keine geregelten Pausenzeiten, es gibt keine geregelten Ruhezeiten und es gibt auch kaum eine Beschränkung auf Arbeitsinhalte, i.d.R. ist die Pflegerin neben der pflegerischen und betreuenden Arbeit auch für den ganzen Haushalt zuständig. Das heißt, sie muss putzen, waschen, einkaufen, kochen und was sonst noch so anfällt, teilweise sogar für die berufstätigen Angehörigen mit.

Corona verschärft die Situation der Pflegerinnen weiter

Die formal selbstständigen Pflegerinnen – die meistens aus Rumänien oder der Slowakei stammen – werden in Österreich vielfach über Agenturen vermittelt. Normalerweise werden einer Familie zwei Betreuerinnen zugeteilt, die alle 3–4 Wochen wechseln. Diese Radl funktioniert aktuell unter den Vorzeichen von Corona nicht mehr ohne weiteres. Rumänien hat die Grenzen dichtgemacht und Österreich ist auch restriktiv bei der Einreise. Bundesländer setzen deswegen nun Maßnahmen, um den Pflegenotstand in der Altenpflege zu verhindern. Sie bieten den Betreuerinnen einen Bonus an, damit sie bleiben, in Oberösterreich bspw. 1.000 €. Es bleibt aber nicht nur bei netten Angeboten, der Druck auf die Pflegerinnen in Österreich zu bleiben nimmt zu, auch emotional. Sie fühlen sich den Betreuten gegenüber verpflichtet. Zumal Familienmitglieder aktuell laut Berichten noch seltener zu ihren Angehörigen fahren um Ansteckungen zu vermeiden. Die Pflegerinnen haben auch Angst in Zukunft nicht mehr kommen zu können.

Parallel wird versucht neue Arbeitskräfte einzufliegen, um dem Bedarf zu begegnen. Betreuerinnen werden nun aus Osteuropa eingeflogen, nicht getestet und dann zwei Wochen in Schwechat in einem Hotel isoliert, um sicherzugehen, dass sie gesund sind. Diese zwei Wochen sind unbezahlt. Danach geht es an den Haushalt und man arbeitet je nach Agentur für einen Stundenlohn von etwa 2 €. Nachdem die Betreuerinnen dann in ihre Heimatländer zurückkehren ist für sie wieder zwei Wochen Isolation angesagt, bevor sie in ihre freie Zeit mit der Familie starten können. Somit verringert sich der Lohn weiter, da er für eine längere Dauer der Reproduktion – die auch die Isolation umfasst – dienen muss. Im vergangen Jahr wurden außerdem Sozialleistungen, wie bspw. die Familienbeihilfe, von Österreich auf des Niveau der Heimatländer gekürzt. So wurde die Überausbeutung der Betreuerinnen noch einmal intensiviert und wird dies aktuell erneut. All diese Dinge bleiben fast unbemerkt von der Öffentlichkeit, weil es im Privaten stattfindet. Lediglich der Engpass an Pflegerinnen führt zu einem Aufschrei.

* Wir verwenden hier die weibliche Form, da es sich bei den Arbeitskräften fast ausschließlich um Frauen handelt.

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