Wie bereits angekündigt ist die Bundesregierung heute aufgrund der Entwicklung der Infektionszahlen mit neuen Epidemie-Schutzmaßnahmen an die Öffentlichkeit gegangen.
Wien. In der Pressekonferenz hielt Bundeskanzler Sebastian Kurz fest, dass 77 Prozent der Coronaansteckungen nicht mehr nachvollziehbar seien. Dies ist das Argument, dass es erneute Verschärfungen brauche, da nicht mehr klar sei, ob es nicht zu Ansteckungen im Handel und den Schulen käme. Der Lockdown sei die Basis dafür, dass man ein Weihnachtsfest gemeinsam verbringe können und das Gesundheitssystem nicht überfordert werden. Nachdem Österreich auf hunderttausend Einwohnerinnen und Einwohner gerechnet die höchsten Infektionszahl weltweit verzeichnet, scheinen Schritte zum Epidemie-Schutz überfällig.
Dass die Überforderung des Gesundheitssystems sowie die fehlenden Kapazitäten bei der Nachverfolgung des Infektionsgeschehens mit strukturellen Mängeln zusammenhängen, findet jedoch keine Erwähnung. Dies würde bedeuten einzugestehen, dass diese strukturellen Mängel mit dem Wirtschaftssystem, also dem Kapitalismus untrennbar verwoben sind. Ein System, das dem Primat des Profits folgt, hat das menschliche Leben und die Gesundheit nicht im Zentrum.
Ab kommenden Dienstag wird quasi auf den Lockdown-Modus des Frühjahrs umgestellt. Alle Bereiche, in denen es möglich ist, sollen auf Home-Office umstellen. Alle Schülerinnen und Schüler werden nun über Distance Learning unterrichtet, es gibt aber nach wie vor Notfallangebote vor Ort sowie zusätzliche Lernangebote. Selbiges gilt für die Kinderbetreuungseinrichtungen. Auch alle nicht lebensnotwendigen Bereiche des Handels werden mit Dienstag geschlossen, ebenso wie körpernahe Dienstleistungen. Außerdem wird appelliert, private und persönliche Kontakte einzuschränken. Außerhalb des eigenen Haushaltes soll man sich auf Kontakt zum Lebenspartner oder ‑partnerin, einzelnen engsten Angehörigen, einzelnen wichtigen Bezugspersonen beschränken. Die Maßnahmen sind vorerst bis zum 6. Dezember gültig. Es bleibt abzuwarten, ob dies die gewünschten Resultate bringt und zu diesem Zeitpunkt die Maßnahmen aufgehoben werden können.
Klar ist jedenfalls, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Produktion sicherlich weiterhin Risiken ausgesetzt sind und in vielen Betrieben die Schutzmaßnahmen noch nicht ausreichen. Außerdem wird die Arbeiterklasse mit dem Kurzarbeitsgeld für die Schließungen zahlen. Wie genau die Ausgleichszahlungen ausgestaltet werden, ist auch noch offen. Die Vorbereitungen auf den Herbst und Winter – wo es absehbar zu einem erhöhten Infektionsgeschehen kommt – wurden nicht ernsthaft betrieben, weder mit Zusatzpersonal in Krankenhäusern, noch mit einer Vorbereitung von Lehrenden an Schulen und Universitäten oder sonstigen Konzepten zum Schutz der Arbeiterklasse in physischer und psychologischer Hinsicht.
Der Appell an die Eigenverantwortung scheint vor dem Hintergrund der sich ständig widersprechenden Nachrichten zwar als wirtschaftlich sinnvoll, wie sich aber bereits im Frühjahr zeigte, ist dieser „Schwedische Weg“ jedoch mit großen gesellschaftlichen Kosten verbunden.
Quelle: Kleine Zeitung/ORF