Die israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem prangert systematische ethnische Diskriminierung in Israel und Palästina an und liefert eine substanzielle Einordnung.
Jerusalem. Die israelische NGO B’Tselem (בצלם, „Ebenbild“) übt in einem aktuellen Bericht scharfe Kritik an der allgemeinen Situation in Israel und Palästina. Anhand einer ausführlichen Dokumentation kommt sie zu dem Schluss, dass man es mit einem „Regime jüdischer Vorherrschaft vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer“ zu tun habe und bezeichnet dies als ein System und Organisationsprinzip der „Apartheid“. Damit wird eine neue terminologisch substanzielle Festlegung gegenüber bisherigen Beschreibungen einer „fortgesetzten Okkupation“ und „Ein-Staaten-Realität“ getroffen, die nicht unumstritten ist – nun aber eben auch von einer großen Menschenrechts- und Friedensorganisation jüdischer Israelis konstatiert wird. B’Tselem versteht sich als „Informationszentrum für Menschenrechte in den besetzten Gebieten“ und wurde 1989 von israelischen Intellektuellen, Juristen, Wissenschaftlern und (linken, humanistischen) Knesset-Abgeordneten gegründet. Die NGO hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschenrechtsverletzungen durch israelische und palästinensische Behörden sowie Kriegsverbrechen durch die israelische Armee IDF zu dokumentieren und der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Ihr Ziel ist es, die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte im Gebiet zwischen Mittelmeerküste und Jordantal zu fördern.
Systematische Diskriminierung nichtjüdischer Ethnien
Neben systematischen Menschenrechtsverletzungen gegenüber der palästinensischen Bevölkerung – ob im Westjordanland, in Gaza oder innerhalb des israelischen Staates – werden Okkupations‑, Siedlungs- und Annexionspolitik im Allgemeinen, im Konkreten aber bestimmte Bedingungen benannt: Dies betrifft die gezielte „Judaisierung“ arabischer und beduinischer Gebiete und Besitztümer bei gleichzeitiger Diskriminierung der Palästinenser in Bezug auf den Erwerb von Grund und Boden sowie den Bau von Häusern, wodurch rein-jüdische Siedlungen geschaffen werden und eingeschlossene Palästinenserenklaven isoliert voneinander und strukturlos bleiben sollen. Entsprechende Gesetz sind auch mit der gesamten Migrationspolitik verbunden. Hinzu kommen Restriktionen in der palästinensischen Bewegungs- und Reisefreiheit sowohl in den besetzen Gebieten wie in Israel, aber selbst für Reisen ins Ausland. Darüber hinaus kritisiert B’Tselem, dass der israelische Staat eben faktisch die Kontrolle über das gesamte Gebiet ausübt, also auch kein palästinensisches Staatswesen akzeptieren würde – wobei Gaza eben vornehmlich eingeschlossen und blockiert wird –, d.h. umfassende politische Macht in allen Bereichen innehat, aber die politische Partizipation oder gar Selbstbestimmung der Palästinenser, sowohl bei israelischen Staatsbürgern wie anderen, gezielt erschwert, um die Unterdrückung zu stützen.
Apartheid als Organisationsprinzip
Unterm Strich ergibt sich laut der israelischen Menschenrechtsorganisation also ein Regime, das nicht demokratisch ist, das auf systematischer ethnisch-religiöser Diskriminierung im Kollektiven wie im Persönlichen in politischer, sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht beruht, das auf die Durchsetzung der jüdischen Vorherrschaft in der gesamten Region Israel/Palästina inklusive entsprechender Annexionen orientiert – und all dies wird nicht nur politisch und militärisch zum Faktum, sondern auch juristisch und verfassungsrechtlich unterfüttert. Insofern kommt B’Tselem zu dem Schuss, dass in Israel und den besetzten Gebieten ein Apartheid-System vorliegt, das freilich keine Kopie des südafrikanischen sein kann, aber diese Bezeichnung allemal verdient: Es ist auf die jüdische Dominanz gegenüber den anderen ethnischen Gruppierungen zweiter Klasse angelegt, soll diese aufrechterhalten und sogar weiter verstärken. Dieses Organisationsprinzip der Apartheid müsse zu Fall gebracht werden, um Menschenrechten, Freiheit und Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen – egal, wie schlussendlich der zukünftige politische Weg für die Region zwischen Jordan und Mittelmeer insgesamt aussehen wird, wofür es durchaus verschiedene Möglichkeiten gebe.
Quelle: B’Tselem