Die Deutsche Marine kann wieder Segel setzen lassen: Ihr zentrales Segelschulschiff verlässt das Trockendock, wofür jedoch 135 Millionen Euro versenkt wurden.
Bremen. Statt der vorgesehenen zehn Millionen Euro hat es bemerkenswerte 135 Millionen gekostet: Die „Gorch Fock“, das berühmte und berüchtigte Segelschulschiff der Deutschen Marine, hat ihre Generalüberholung hinter sich und ist wieder seetauglich. Die Instandsetzungsarbeiten waren im Dezember 2015 begonnen worden und von Missmanagement, Reparaturfehlern, (nicht beendeten) Korruptionsermittlungen, Insolvenzen und Werftwechseln begleitet. Die Kostenexplosion war von der damals zuständigen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, heute EU-Kommissionspräsidentin, durchgewunken worden. Auch abgesehen von den nun aufgewendeten finanziellen Unsummen sind Sinn und Zweck der „SSS Gorch Fock (II)“ generell umstritten – und waren es eigentlich bereits seit der Indienststellung 1958: Inwiefern es nämlich für die Seestreitkräfte der BRD noch von Bedeutung sein soll, ihre Angehörigen auf einem 90 Meter langen Dreimaster auszubilden, erscheint zweifelhaft. Die militärische Relevanz von Segelschiffen dürfte doch schon etwas länger nicht mehr gegeben sein.
Doch bei der Deutschen Marine besteht man darauf: Alle Offizieranwärter des Truppendienstes, die Sanitätsoffizieranwärter und die Unteroffiziere des seemännischen Dienstes werden auf der Bark ausgebildet. Dazu gehören auch das Aufentern auf die Masten und das Herumklettern in der Takelage, worauf die Marine-Azubis natürlich nicht vorbereitet sind: Mangels Sicherheitsvorkehrungen kam es dabei in der Vergangenheit immer wieder zu Unfällen, in einigen Fällen zu tödlichen. Zuletzt starb im November 2010 eine 25-jährige Offizieranwärterin nach einem Sturz aus 27 Metern Höhe auf Deck, als sie von den Ausbildnern siebenmal auf den Hauptmast gehetzt wurde. Infolgedessen kam es zu einer kleinen „Meuterei“ an Bord, da ein Teil der Besatzung nicht mehr bereit war, den Befehlen der Vorgesetzten Folge zu leisten. Die nachfolgenden Untersuchungen des Verteidigungsministeriums erbrachten als Ergebnisse „inakzeptables Fehlverhalten“ und „Unterlassung“ der Schiffsführung, der Kommandant wurde suspendiert.
Man sieht: Die Deutsche Marine wäre gut beraten, endlich im 21. Jahrhundert anzukommen – sowohl was den technischen Fortschritt der Seefahrt betrifft (Stichwörter Motor und Schiffsschraube), als auch hinsichtlich des Umgangs mit ihren Soldaten. Die Zeiten von Käpt’n Bligh sind in jeder Hinsicht vorbei. Die Gorch Fock gehört ins Museum – oder auf einen Schiffsfriedhof. Wie der gesamte marine Militarismus.
Quelle: NDR