Im Fall des Seilbahnabsturzes am Lago Maggiore, den nur ein fünfjähriger Junge überlebte, hat sich bereits ein Geständnis der Seilbahnbetreiber ergeben. Sie hätten das Notbremssystem manipuliert, um Fahrtunterbrechungen zu vermeiden, anstatt eine Reparatur in Kauf zu nehmen.
Piemont/Lago Maggiore. Am Sonntag starben 14 Menschen infolge eines Seilbahnabsturzes am Lago Maggiore, darunter mehrere Kinder. Allein ein fünfjähriges Kind überlebte schwer verletzt das Unglück, der Junge verlor dabei seine ganze Familie. Die ZdA berichtete über diesen schrecklichen Unfall und vermeldete außerdem, dass die Staatsanwaltschaft „bereits Ermittlungen wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Verletzung“ eingeleitet hätte. In der Zwischenzeit wurde auch das Video der Überwachungskamera, die den Absturz filmte, von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und für die laufenden Ermittlungen genutzt.
Notbremse wurde manipuliert
Daraufhin wurden der Eigentümer der Betreibergesellschaft Ferrovie del Mottarone, der Cheftechniker und der Direktor festgenommen. Aus deren Geständnis geht recht klar hervor, dass das Notbremssystem manipuliert worden war, um Stockungen der Seilbahnfahrten zu verhindern. Ein Ermittler berichtete im Interview mit Rai 3: „Es gab Störungen in der Seilbahn. Die Wartung wurde eingeschaltet, sie hat das Problem nicht oder nur teilweise gelöst. Um weitere Betriebsunterbrechungen zu vermeiden, entschied man sich, die ‚Gabel‘ an Ort und Stelle zu belassen, wodurch die Notbremse nicht funktionieren kann“.
Einen Tag vor der Tragödie war die Notbremse nämlich außer Betrieb genommen worden, weil es durch die offenbar fehlerhafte automatische Aktivierung der Notbremse zu Dienstunterbrechungen gekommen war. Man war dabei einfach nicht davon ausgegangen, dass sich ein Kabelbruch tatsächlich hätte ereignen können. Zwischen den Bremsbacken wurde ein Stahlbügel eingefügt, der das Schließen der Backen verhindern sollte und auch in der Notsituation tatsächlich verhinderte. Durch die Notbremse wäre gewährleistet gewesen, dass die Kabinen beispielsweise nach einem Kabelbruch nicht talwärts rasen. Es erübrigt sich wohl hinzuzufügen, dass eine solche Manipulation nur dann legitim ist, wenn die Seilbahn gerade außer Betrieb ist bzw. wenn sich keine Menschen in den Gondeln befinden.
Die Gesetze des Kapitals stehen über denen der Schwerkraft
Die Staatsanwaltschaft, repräsentiert durch Olimpia Bossi, geht davon aus, dass der Grund für die Deaktivierung der Notbremse der war, dass eine fällige Reparatur für eine längere Zeit die Anlage stillgelegt hätte. Dies wiederum hätte weniger bzw. keine Einnahmen durch Gäste zur Folge gehabt und das zu einer Zeit, wo Ferien- und Freizeitbetriebe wieder öffnen durften, nachdem ein geringeres Infektionsrisiko festgestellt und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens vermindert worden waren. So überwogen in den Köpfen der Betreiber der Seilbahn wohl die Erwägungen über den möglichen Profit nach einer längeren Phase der Einschränkungen über die Gefahr grob fahrlässigen Handelns und der Gefährdung zahlender Gäste. Staatsanwältin Bossi sagte diesbezüglich: „Es handelte sich um eine aus wirtschaftlichen Gründen getroffene bewusste Entscheidung. Die Anlage hätte stillstehen müssen.“
Die Manipulation, d.h. die Deaktivierung der Notbremse wurde in Kauf genommen, weil es am Vortag durch eine Fehlfunktion zu einer halbstündigen Verzögerung der Seilbahnfahrt gekommen war. Dass sich der Kabelbruch dann tatsächlich ereignete, mag ein tragischer Zufall gewesen sein und der Tod von 14 Menschen lag bestimmt nicht in der Absicht der Seibahnbetreiber – es ist aber in den Gesetzen des Kapitals fest eingeschrieben, dass man lieber Menschenleben auf´s Spiel setzt, als eine weitere halbstündige Verzögerung und, damit einhergehend, eine Verminderung der täglichen Einnahmen in Kauf zu nehmen.