Die Wahl im April, die mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gegen eine Gewerkschaft für Amazon-ArbeiterInnen ausging, fand wohl unter unzulässigen Umständen statt. Nun wird entschieden, ob das Votum wiederholt wird.
Als Zeitung der Arbeit berichteten wir schon im Frühjahr von der massiven Anti-Gewerkschafts-Kampagne, die Amazon vor der Wahl unter den Beschäftigten ins Leben rief: Regelmäßige Nachrichten an die MitarbeiterInnen mit gewerkschaftsfeindlichen Inhalten und Fake-Social-Media-Profile sollten die Bestrebungen, die ArbeiterInnen eines Logistikzentrums in Bessemer (Alabama) gewerkschaftlich zu organisieren, bekämpfen. Vorerst hatte diese Strategie auch Erfolg: Von den knapp 6000 Beschäftigten gingen gerade einmal zirka 3200 zur Wahl, 1798 stimmten gegen eine Gewerkschaft und nur 738 dafür, die restlichen Stimmen wurden angefochten und waren somit ungültig.
Doch Anfang dieser Woche wurde bekannt, dass wohl auch weitere, illegale, Maßnahmen von der Konzernführung ergriffen wurden, um das gewünschte Ergebnis zu realisieren. Ein Mitarbeiter des US National Labor Relations Board (NLRB), einer Regierungsbehörde für Arbeitsrecht in den USA, sprach mit der Nachrichtenagentur Reuters von angedrohten Gehaltskürzungen im Falle einer gewerkschaftlichen Organisierung sowie von einem unzulässigen Wahlablauf (eine Wahlurne war in einem Bereich, der unter Videoüberwachung stand, angebracht). Ein Mitarbeiter offenbarte sogar, dass die Security-Angestellten von Amazon Schlüssel für die Wahlurne besaßen und somit Zugang zu den abgegebenen Stimmen hatten.
Diese Handlungen sind laut US-Arbeitsrecht illegal, was eine Wiederholung der Wahl unter angemessenen Bedingungen notwendig macht. Angesichts dessen hat der Konzern diese Vorwürfe natürlich allesamt von sich gewiesen. Das NLRB wird in den nächsten Wochen prüfen und entscheiden, ob die Vorwürfe glaubhaft sind. Sollte dies der Fall sein, muss das Votum wiederholt werden. Die ehemalige NLRB-Vorsitzende und Rechtsanwältin Wilma Liebman erklärte, dass bereits die Tatsache, dass der Konzern Zugang zu den abgegebenen Stimmen hatte, Grund genug wäre, das Ergebnis aufzuheben und die Wahl erneut durchzuführen. Amazon wiederum verkündete, dass man einen Beschluss zur Wiederholung der Abstimmung anfechten werde.
Für die Amazon-ArbeiterInnen in den USA ist der Weg zur gewerkschaftlichen Organisierung also noch ein langer und komplizierter. Die äußerst widrigen Umstände, unter denen Amazon-Beschäftigte arbeiten (dauerhafte Überwachung, geringer Lohn, zu wenig Pausen und enormer Arbeitsdruck), machen eine solche jedoch unbedingt notwendig.
Quelle: The Guardian