In England will man als Maßnahme gegen die Rindertuberkulose zigtausende Wildtiere abschlachten. Dahinter stehen Profitinteressen, die öffentliche Empörung steigt.
London. Nicht weniger als 76.000 Dachse sollen in den kommenden Monaten in England getötet werden. Diese Vorgabe der staatlichen Behörde „Natural England“ gilt für 40 begrenzte, vornehmlich westenglische Gebiete. Laut Regierung soll auf diese Weise die Rindertuberkulose (bTB) eingedämmt werden. Diese Krankheit überträgt sich u.a. auch von Wildtieren auf Hausrinder – und als Hauptschuldiger wurde der Europäische Dachs (Meles meles) auserkoren, weswegen er jetzt massenhaft dran glauben muss. Schon seit 2013 setzt man in England auf rigorose Tötungskampagnen gegenüber Dachsen, um die Viehzucht vor Ungemach zu bewahren: Tritt bTB nämlich in landwirtschaftlichen Betrieben auf, so müssen alle Rinder gekeult werden. Laut Londoner Regierung verursacht dies jährlich einen finanziellen Schaden von über 100 Millionen Pfund. Da ist es natürlich naheliegend, zigtausende harm- und wehrlose Wildtiere – ob krank oder gesund – abzuknallen, zu vergasen und in hinterhältigen Fallen verbluten zu lassen, was natürlich keinerlei eigenen Jagdnutzen hat.
Tier- und Naturschutzorganisationen wenden sich freilich vehement gegen diese Massentötungen. Sie argumentieren, dass solche Maßnahmen nicht nur überaus brutal und gegenüber dem Ökosystem rücksichtslos sind, sondern ihr Nutzen auch keineswegs erwiesen ist, zumal niemand weiß, wieviele Dachse überhaupt krank sind. Tatsächlich gäbe es andere Möglichkeiten, die Rindertuberkulose zu bekämpfen, etwa durch Impfung des Nutzviehs. In Wales wird sogar versucht, Dachse zu impfen. Aber auch vor einem anderen Hintergrund geriet die bTB-Politik der Londoner Regierung zuletzt massiv in die Kritik: Das infizierte Alpaka „Geronimo“, das keinerlei Symptome aufwies, wurde trotz einer breiten Solidaritätskampagne behördlich zum Tode verurteilt und eingeschläfert – die öffentliche Empörung war enorm. Vor 76.000 zum Abschuss freigegebenen Dachsen verblasst dieses medial begleitete Einzelschicksal nun jedoch. Dass man in England immer noch bereit ist, zigtausende Wildtiere abzuschlachten, nur um indirekte wirtschaftliche Vorteile in der Massenviehzucht zu lukrieren, erscheint in der Tat überaus fragwürdig.
Quelle: Der Standard