Am 20. Mai wurde mit Andrea Mayer die Nachfolgerin der zurückgetretenen Ulrike Lunacek als Staatssekretärin für Kunst und Kultur angelobt. Für Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der diese formelle Amtseinführung in der Hofburg vornahm, war die Situation bestimmt nicht unoriginell: Mayer war bislang seine Kabinettschefin in der Präsidentschaftskanzlei.
Wohl noch unter dem Eindruck des Lunacek’schen Desasters, für das diese jedoch keineswegs alleine verantwortlich zeichnet, wurde Mayer mit einigen Vorschusslorbeeren bedacht. In der Tat verfügt sie über eine ganz andere Erfahrung als ihre gescheiterte Vorgängerin: Sie arbeitete im entsprechenden Ressort bereits unter Rudolf Scholten, Claudia Schmied und Josef Ostermeyer (alle SPÖ). Gewiss spielt bei vielen Betroffenen auch der Gedanke eine Rolle: Es kann nur besser werden.
Inwieweit dies zutreffend ist, bleibt durchaus noch offen. Der Zug mit den finanziellen Soforthilfen für Kulturschaffende ist ja schon abgefahren, denn „sofort“ ist längst vorbei. Was nun den Plan der Wiedereröffnung von Spielstätten, von Theatern, Opern, Kleinkunstbühnen und Festivals betrifft, so ist die eine oder andere Frage offen: Mit der vorsorglichen Absage oder zumindest undatierten Verschiebung vorgesehener Aufführungen, Konzerte etc. stand in den vergangenen Monaten freilich auch jede Vorbereitung still: Es gab keine Proben für Schauspiel, Gesang, Orchester und Regie, auch Bühnenbild, Ausstattung etc. waren zur Untätigkeit gezwungen. Das kann man nun nicht auf seriöse Weise binnen Tagen nachholen. Ebenso lassen sich Dreharbeiten nur bedingt vom Home Office aus organisieren, Verträge für Ausstellungen und Leihgaben konnten genauso wenig abgeschlossen werden. Und für neue Projekte konnte es ohnedies nur heißen: Dafür ist jetzt nicht die Zeit. Von den fehlenden Finanzen durch die entgangenen Einnahmen, die wiederum Grundlage für Neues wären, gar nicht zu sprechen. Abschließend ist auch fraglich, inwiefern mit gezielt reduzierter Publikumsquantität zu budgetieren ist – mal abgesehen davon, dass ein zu zwei Dritteln oder mehr leerer Saal für jeden Musiker und jede Schauspielerin auch vermittlungs- und resonanzmäßig eine mehr als große Herausforderung ist, die auf Gemüt und Vortrag schlägt. Das (kollektive?) Zuschauererlebnis ist für die Anwesenden gewiss auch nicht das erhoffte. Man könnte diese Liste fortsetzen, was aus Rücksicht auf Zeit und Raum unterbleibt.
Und man sollte nicht denselben Fehler zweimal machen und abermals nur auf die (neue) grüne Staatssekretärin fokussieren, die nun als Dea ex machina alle Problemstellungen wie von Zauberhand zu lösen hätte. Faktum ist: Die gesamte Regierung ist gefordert, wenngleich es zu den einstudierten und regelmäßig inszenierten politischen Kunstgriffen der ÖVP gehört, jede Verantwortung abzuschieben, selbst untätig zu bleiben oder gar den einen oder anderen Knüppel zwischen die Beine anderer zu werfen. Wie die asoziale Politik von Kurz, Blümel und Konsorten zusammenlaufen soll mit einer ausfinanzierten Kunst und Kultur als gesellschaftlichem Bedürfnis, ist schwer vorstellbar, wobei das Vertrauen in eine etwaige Zweitbesetzung auch nicht gerade von immenser Berechtigung getragen wäre.
Man könnte aus der Corona- und anlaufenden Wirtschaftskrise vieles lernen: Im Bereich der Bewertung (und Entlohnung) tatsächlich „systemrelevanter“ Berufe, im Bereich der öffentlichen Gesundheitsversorgung für alle, im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sowie natürlich im Bereich der Kunst und Kultur. Die vorherrschende Politik wird freilich lernresistent bleiben. Doch Bertolt Brechts „Lob des Lernens“, das einem unweigerlich in den Sinn kommt, richtet sich ohnedies nicht an die Herrschenden – sondern an uns: die Beherrschten. Mögen sie die Beherrschung verlieren.