HomeInternationalesDesmond Tutu und die israelische Apartheid

Desmond Tutu und die israelische Apartheid

Kapstadt/London. Am 1. Jänner 2021 fand die Verabschiedung des verstorbenen Anti-Apartheid-Aktivisten, Nobelpreisträgers und früheren Erzbischofs Desmond Tutu in Kapstadt statt. Bei all dem Lob für seinen Widerstand gegen die südafrikanische Apartheid wurde oft übersehen, dass er sich seit langem für das palästinensische Volk und für Boykott, Desinvestition und Sanktionen als Mittel zur Beendigung der israelischen Apartheid eingesetzt hat.

Tutu war einer der ersten, der die israelische Herrschaft als ein Apartheidsystem bezeichnete, und da er selbst unter diesem System aufgewachsen war, war er schwer zu ignorieren. Er war auch einer der ersten, die zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, ähnlich dem kulturellen und wirtschaftlichen Boykott des südafrikanischen Apartheidsystems, als bestes friedliches Mittel zur Bekämpfung des zionistischen Regimes.

Vor zwanzig Jahren sagte er bei einem Aufenthalt in den USA: „Mein Besuch im Heiligen Land hat mich zutiefst erschüttert; es erinnerte mich so sehr an das, was uns Schwarzen in Südafrika widerfuhr.“ Im Jahr 2014 schrieb er: „Ich weiß aus erster Hand, dass Israel innerhalb seiner Grenzen und durch seine Besatzung eine Apartheid-Realität geschaffen hat. Die Parallelen zu meinem eigenen geliebten Südafrika sind in der Tat schmerzhaft deutlich.“

In der Tel Aviver Zeitung Haaretz verteidigte er die Sanktionen: „Was diese Führer schließlich an den Verhandlungstisch zwang, war der Cocktail aus überzeugenden, gewaltfreien Mitteln, die entwickelt worden waren, um Südafrika wirtschaftlich, wissenschaftlich, kulturell und psychologisch zu isolieren.“ Für diese und andere Äußerungen wurde Tutu von rechtsextremen Anhängern Israels als Antisemit und Eiferer beschimpft, aber er weigerte sich, klein beizugeben. Seine Haltung wurde 2021 von der größten israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem unterstützt, die Israels Herrschaft über die Palästinenser als ein System der Apartheid bezeichnete.

Eines der ungeheuerlichsten Beispiele für die Beschönigung von Tutus Geschichte war der Nachruf der britischen „liberalen“ Zeitung The Guardian auf ihn. Darin wurden nicht nur Tutus Ansichten zu Palästina völlig unerwähnt gelassen, sondern auch alle Online-Kommentare, die sich darauf bezogen, wurden mit der Begründung gelöscht, sie entsprächen „nicht den Gemeinschaftsrichtlinien“ des Guardian. Erst nach einem offenen Brief von 30 prominenten Aktivisten entschuldigte sich der Guardian für sein Vorgehen und stellte die Kommentare wieder online. 

Im übrigen Europa ist die Situation manchmal noch schlimmer. Die Parlamente von Österreich, Deutschland und der Tschechischen Republik haben allesamt Resolutionen verabschiedet, in denen die BDS-Bewegung als antisemitisch bezeichnet wird. In Wien musste 2019 eine Konferenz im Volkskundemuseum mit Videobotschaften des jüdischen Kommunisten und Führers des Afrikanischen Nationalkongresses Ronnie Kasrils sowie des Gründers der BDS-Bewegung Omar Barghouti abgesagt werden, nachdem die Institution die Genehmigung für die Nutzung ihrer Räumlichkeiten verweigert hatte.

Diese Haltung ist auch bei vermeintlich linken Organisationen zu beobachten. Am 21. Oktober 2021 schrieb die KPÖ Steiermark in ihrer Antwort auf eine Anfrage der ÖVP unter Punkt 2: „Ein Boykott israelischer Waren, wie von der BDS-Kampagne gefordert, erinnert vor dem Hintergrund der deutsch-österreichischen Geschichte an die widerwärtige ‚Kauf nicht beim Juden‘-Propaganda der Nazis und wird von der KPÖ als konsequent antifaschistische Partei, die tausende ihrer Mitglieder im aktiven Kampf gegen die NS-Barbarei verloren hat, zutiefst abgelehnt.“

Tatsächlich ist eine solche Haltung, wie sie von der steirischen KPÖ ausgedrückt wird, nicht nur selbst einem reaktionären völkisch-„rassischen“ Denken verhaftet, weil sie alle Juden mit dem Staat Israel gleichsetzt (und umgekehrt), sondern sie brandmarkt auch viele Juden, die die BDS-Bewegung unterstützen, als Antisemiten. Antifaschistische Kämpfer gegen die Nazis und jüdische Zionismus-Gegner würden sich im Grabe umdrehen.

Quelle: Palestine Solidarity Campaign / The Guardian / KPÖ Steiermark / BDS

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