In den letzten Tagen protestierten Tausende gegen die chilenische Bildungspolitik.
Santiago de Chile. Die Innenstadt von Santiago ist seit Sonntag Schauplatz sozialer Proteste. Tausende Schülerinnen, Schüler und Studierende gingen auf die Straßen ganz Chiles für Verbesserungen im Bildungsbereich. Gefordert wird kostenloser Transport und kostenloser Zugang zu Gesundheit, Internet und Infrastrukturen. Weitere Forderungen betreffen die Erstellung wirksamer Protokolle gegen geschlechtsspezifische Gewalt, die Förderung der Sekundarschulbildung, die Anerkennung von Studierendenpraktika und nicht zuletzt die Abschaffung des sogenannten Safe Classroom Acts. Dieser stellt ein repressives Instrument dar, das es den Behörden von Bildungseinrichtungen ermöglicht, Schülerinnen und Schüler, die in „Gewalttaten“ verwickelt waren, sofort von der Schule zu verweisen.
Geplatzte Verfassungsänderung
Anfang der Woche wurden mehrere Metrostationen in der Hauptstadt aufgrund der Proteste geschlossen. Ähnlich wie die Chileninnen und Chilenen zu Beginn der sozialen Proteste im Jahr 2019, verweigerten auch jetzt wiederum viele als Akt des Protests die Bezahlung der U‑Bahn-Tickets. Tage darauf ging die Polizei mit aller Härte gegen die Studierenden vor, die zum La-Moneda-Palast marschierten, wo sich Präsident Gabriel Boric befand. Die Einsatzkräfte feuerten mit Wasserwerfern und Tränengas auf die Jugendlichen, von denen einige als Reaktion darauf mit den Sicherheitskräften zusammenstießen.
Grund für die gerade jetzt sich vermehrenden Demonstrationen und Proteste ist eine missglückte Verfassungsänderung. Es ging darum, die gängige Verfassung, die noch aus der Zeit Pinochets stammt, durch eine neue zu ersetzen. Diese hätte u.a. einen kostenlosen Zugang zum Bildungssystem vorgesehen. Durch eine 62-prozentige Mehrheit konnten die Gegnerinnen und Gegner der neuen Verfassung die Volksabstimmung aber für sich entscheiden. Die verfehlte Verfassungsänderung kam indes den Kapitalisten im Lande und den traditionell rechten Parteien zugute, die die Beibehaltung der alten Verfassung als großen Sieg feierten.
Dass eine gut verfasste Verfassung jedoch keine Wunder vollbringt, zeigt das Beispiel Italiens. Die im Jahr 1948 in Kraft getretene Verfassung stammt aus der Hand jener Parteien, die entweder in Opposition zum Faschismus standen oder aber mit aller Härte gegen ihn gekämpft haben, so die Kommunistische Partei Italiens. Aus einem Klassenkompromiss entstanden, in welchem die Arbeiterklasse eine starke Gewichtung hatte, wurde und wird die italienische Verfassung von vielen Expertinnen und Experten als fortschrittlichste Verfassung Europas eingeschätzt. Doch sie wurde nie zur Gänze umgesetzt und ihr Bestehen ist nur zeitweilig. Im Kapitalismus ist nichts festgeschrieben, abgesehen vom Kapitalismus selbst.
Quelle: teleSUR