Am 9. November 1932 ermordete die Schweizer Armee 13 antifaschistische Demonstranten – die Ereignisse harren bis heute einer ernsthaften Aufarbeitung.
Am 9. November 1932 demonstrierten in Genf rund 8.000 Antifaschisten – vornehmlich Sozialdemokraten und Kommunisten – gegen eine provokante Veranstaltung der faschistischen Gruppierung „Union nationale“. Die Kantonalregierung sorgte sich von Beginn an mehr um die linke Kundgebung als um die faschistische Bedrohung und verstärkte das Polizeiaufgebot durch 600 Rekruten der Schweizer Armee, die sich erst am Beginn ihrer Ausbildung befanden. Die Antifaschisten ließen sich jedoch nicht einschüchtern und widerstanden Versuchen, die Demonstration aufzulösen.
Um halb zehn Uhr abends erging ohne jeden Anlass ein Schießbefehl. Die Rekruten feuerten zunächst in die Luft und dann in die Menge: Zurück blieben 13 tote Demonstranten sowie 65 Schwerverletzte. Tags darauf rechtfertigten sich die Behörden damit, dass die Antifaschisten angeblich handgreiflich geworden seien und eine Polizeiabsperrung durchbrechen wollten – ungeachtet des Wahrheitsgehalts gewiss kein Grund für ein blutiges Massaker. Der folgende Generalstreik in Genf sowie die bundesweiten Solidaritätskundgebungen wurden wiederum durch große Militäraufgebote beantwortet. Die Botschaft war klar: Der bürgerliche Schweizer Staat bekämpft nicht den Faschismus, sondern die Arbeiterbewegung – und dies mit allen nötigen Mitteln.
Auch die Klassenjustiz ließ daran keinen Zweifel. Sechs Organisatoren der antifaschistischen und antimilitaristischen Demonstration wurden wegen Anstiftung zum Aufruhr verurteilt. Der prominente Sozialist Léon Nicole, später erster Vorsitzender der Partei der Arbeit der Schweiz, fasste eine sechsmonatige Haftstrafe aus, sein Mandat als Mitglied des Nationalrats wurde faktisch kassiert. Ermittlungen gegen die Verantwortlichen des Blutbades gab es nicht. Noch 2019 weigerte sich eine Mehrheit im Schweizer Parlament, die Schandurteile aufzuheben und die Opfer zu rehabilitieren.
Am 9. November 1982 – zum 50. Jahrestag – errichtete die Bauarbeitergewerkschaft FOBB am Ort des Geschehens einen Gedenkstein für die Opfer mit der Aufschrift „Plus jamais ça!“ („Niemals wieder derartiges!“) – ohne Genehmigung. Diese wurde erst nachträglich erteilt, da der fünf Tonnen schwere Fels nun mal bereits da war.
Wo die bürgerliche Staatsmacht in der Auseinandersetzung zwischen der Arbeiterbewegung und dem Faschismus steht, bedarf auch zum 90. Jahrestag der Genfer Blutnacht wohl keiner weiteren Erläuterung.