Am 25. April 1974 beendete die Nelkenrevolution die faschistische Diktatur in Portugal. Es handelt sich um ein historisches Ereignis großer Tragweite, das jedoch seine sozialistischen Versprechungen nicht einhalten konnte.
In der Nacht vom 24. auf den 25. April 1974 waren im portugiesischen Radio zwei Lieder zu hören, die gemeinsam als Zeichen zum Aufstand dienten: „E Depois do Adeus“ („Und nach dem Abschied“) – der damalige ESC-Beitrag des Landes – sowie „Grândola, Vila Morena“ („Grândola, braungebrannte Stadt“), ein antifaschistisches Kampflied, das eigentlich illegal war. Beide zusammen markierten Beginn zum Sturz des faschistischen Regimes des „Estado Novo“, der 1933 konstituiert worden war.
Zunächst war dieser Aufstand gegen Marcelo Caetano, seit sechs Jahren Fortführer der jahrzehntelangen Salazar-Diktatur, ein Militärputsch: Linksgerichtete, junge Offiziere, vornehmlich Hauptleute, hatten sich zur „Bewegung der Streitkräfte“ (MFA) zusammengeschlossen und forderten Demokratie, Dekolonialisierung und Modernisierung. Der Staatsstreich am 25. April verlief weitgehend unblutig, die Soldaten der Regierungstruppen liefen beinahe geschlossen zur MFA über: Die roten Nelken, die in die Gewehrläufe gesteckt wurden, wurden zum namengebenden Symbol des antifaschistischen Umsturzes. Nur die Geheimpolizei PIDE/DGS schoss auf die Bevölkerung, die die Straßen Lissabons übernommen hatte: Vier Menschen wurden getötet.
Caetano verschanzte sich zunächst außerhalb der Hauptstadt in der Kaserne der Nationalgarde, nach mehrstündiger Belagerung kapitulierte und dankte ab. Er ging ins Exil nach Brasilien. Als Kompromiss fungierte zunächst General Spinola Übergangpräsident, der selbst nicht der MFA angehörte. Umgekehrt wurden die politischen Gefangenen aus den Kerkern befreit, während die Exilanten nach Portugal zurückkehrten – darunter der Sozialdemokrat Mário Soares und der Kommunist Álvaro Cunhal. Bereits am 1. Mai hielten Gewerkschaften, PS und PCP im Lissaboner Nationalstadion eine Massenkundgebung ab.
Die folgende Phase der demokratiepolitischen „Normalisierung“ wurde ihrem Anspruch nicht gerecht, sondern war von Unruhen, Auseinandersetzungen und Attentaten geprägt. Trotzdem wurde nach einem Jahr eine verfassungsgebende Versammlung mit 250 Abgeordneten gewählt. Die Sozialdemokraten kamen hierbei auf 116 Mandate, die Konservativen auf 81 und die Kommunistische Partei auf 30. Auf Grundlage der neuen Verfassung der sodann „Dritten Republik“ kam es 1976 zu demokratischen Parlamentswahlen, wobei die Kräfteverhältnisse ähnlich blieben: Soares bildete eine sozialdemokratische Minderheitsregierung.
Gleichzeitig wurden, wie versprochen, die Kolonialkriege beendet: Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, São Tomé und Príncipe, die Kapverdischen Inseln sowie Timor wurden in die Unabhängigkeit entlassen, wenngleich letzteres umgehend von Indonesien besetzt wurde. Goa als Rest von Portugiesisch-Indien war bereits zuvor von Indien besetzt worden, nun verzichtete Portugal auch offiziell auf alle Ansprüche. Damit war das letzte große europäische Kolonialreich Geschichte.
Die sozialistischen Versprechungen (teilweise eher: Illusionen) der Nelkenrevolution wurden hingegen nicht eingehalten. Hatte die Verfassung von 1976 noch den Übergang zum Sozialismus als Staatsziel definiert, waren Verstaatlichungen und Landreform forciert worden, so erfolgte ab 1979 der konterrevolutionäre Rückschlag: Die Konservativen gewannen die Parlamentswahl und stellten die neue Regierung. In Übereinkunft mit der Sozialistischen Partei wurden alle sozialistischen Facetten bis 1982 wieder entfernt, Portugal verblieb in der NATO und trat den EG bei. Die Nelkenrevolution war ein heroischer Akt der antifaschistischen Befreiung, aber kein Schritt zum Sozialismus.