Graz. Die AVL List GmbH kündigt den Abbau von rund 350 Stellen an und verweist in ihrer Aussendung auf „wirtschaftliche Rahmenbedingungen“. Betroffen ist vor allem Graz: Etwa acht Prozent der dortigen Belegschaft sollen gehen, weil ein rückläufiges Projekt- und Auftragsvolumen selbst durch Investitionen in neue Technologien und interne Effizienzmaßnahmen nicht mehr kompensiert werden könne. Die Begründung ist die bekannte Litanei der Branche – tiefgreifende Umbrüche in der globalen Automobil- und Mobilitätsindustrie, konjunkturelle Abschwächungen, stark gestiegene Kosten, wachsender Wettbewerbsdruck – und sie dient als Kulisse für eine Entscheidung, deren soziale Rechnung andere bezahlen werden.
CEO Helmut List sagt: „Diese Entscheidung fällt uns nicht leicht“, um anschließend die „Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft“ als strategische Richtschnur zu setzen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollen also die Zeche für die vielbeschworene Innovationskraft zahlen. Dass der Konzern parallel auf „natürliche Fluktuation“, Altersteilzeitmodelle und im Freisetzungsfall auf einen Sozialplan setzt, macht die Maßnahme nicht sanfter, sondern nur glatter in der Kommunikation. Wer je erlebt hat, wie „natürliche Fluktuation“ praktisch funktioniert, weiß, dass damit Arbeit verdichtet, Wissen ausgedünnt und Loyalität zur Einbahnstraße wird, während ein Sozialplan zwar die Härten mildert, aber die Logik nicht ändert: Das Risiko der Transformation wird auf den Rücken der Belegschaft abgewälzt.
Während AVL weltweit an 90 Standorten zuletzt rund 12.200 Menschen beschäftigte, wird die „Stabilisierung der Beschäftigung“ im globalen Portfolio damit begründet, in der Steiermark jetzt „die Weichen zu stellen“. Internationale Positionen sollen abstrakt „gesichert“ bleiben, während die Kolleginnen und Kollegen in Graz mit sehr realen Kündigungen rechnen müssen. Die Behauptung, so ließen sich langfristig Arbeitsplätze sichern, erzählt das übliche Lügenmärchen der Standortpolitik.
Wenn die Profitabilität unter Druck gerät, werden Beschäftigte zur Stellschraube der Wettbewerbsfähigkeit. Das Kapital beansprucht den technologischen Fortschritt als Beweis seiner Weitsicht, die Kosten der Anpassung dürfen aber diejenigen blechen, die die Produkte entwickeln, testen und bauen – nämlich die Kolleginnen und Kollegen. Auch die Abstimmung „in enger Zusammenarbeit“ mit der Arbeitnehmervertretung ändert daran wenig: Mitbestimmung, die erst nach der Grundsatzentscheidung beginnt, ist eine Verwaltung des Vollzugs, keine Gestaltung der Alternative.
Natürlich ist der Gegenwind real: Der Antriebswandel, brüchige Lieferketten, Zinsumfeld, geopolitische Risiken, ein gnadenloser Preiskampf in E‑Mobilitäts- und Softwareprojekten. Aber gerade deshalb wäre es möglich, Transformationspläne so zu gestalten, dass Qualifizierung, interne Versetzung und Beschäftigungssicherung an erster Stelle stehen, statt die Belegschaft vor die Tür zu setzen.
Quelle: ORF