Der Krieg in Gaza hat längst jede Grenze überschritten. Was Israels Regierung und Armee seit Oktober 2023 gegen das palästinensische Volk entfesselt haben, ist kein „Militäreinsatz“ und keine „Verteidigung“. Es ist ein Völkermord – so benannt von einer unabhängigen UN-Kommission, so erlebbar in jedem Bild, das uns aus dem zerstörten Gazastreifen erreicht, so spürbar in jedem Bericht der Palästinenserinnen und Palästinenser vor Ort. Mehr als 60.0000 Palästinenserinnen und Palästinenser hat Israel in Gaza bisher ermordet. Die absolute Mehrheit davon Frauen und Kinder.
Von den zuletzt rund einer Million Einwohnerinnen und Einwohnern von Gaza Stadt sind je nach Angaben zwischen 250.000 und 350.000 auf der Flucht. Die Stadt ist unterdessen zum Symbol dieser Vernichtung geworden: ein Trümmerfeld, eine neue Guernica. Häuserzeilen sind weggesprengt, Straßen aufgerissen, Krankenhäuser zerstört. Wer überlebt, gräbt mit bloßen Händen nach Verschütteten. „Wir haben die Kinder Stück für Stück herausgeholt“, schilderte ein Vater, nachdem 23 Angehörige seiner Familie ausgelöscht wurden. Andere berichten von Nachbarschaften, in denen „alle Toten Kinder, Frauen und alte Menschen“ sind.
Strategie der Vertreibung
Premierminister Benjamin Netanjahu selbst hat zugegeben, was das Ziel ist: Die Stadt Gaza soll zerstört und das palästinensische Volk aus ihr vertrieben werden. Außenminister Israel Katz fordert offen eine „totale Eliminierung“ der Hamas und eine Umsiedlung der Palästinenserinnen und Palästinenser nach Ägypten – nichts anderes als ein modernes Projekt der ethnischen Säuberung.
Die Methoden der israelischen Streitkräfte sind entsprechend: Alte Panzer werden mit Sprengstoff gefüllt und in Wohnviertel gesteuert. Bombardements sind so heftig, dass sie selbst in Tel Aviv zu hören sind. Am Ende bleibt eine Stadt in Schutt und Asche, bewohnt von Hunderttausenden, die weder fliehen können noch Schutz finden. Allein in einer Nacht wurden 106 Palästinenserinnen und Palästinenser ermordet, darunter 91 in Gaza-Stadt.
Die UNO bestätigt den Völkermord
Dass Israel vier Akte des Völkermords begeht, ist keine politische Parole, sondern eine juristisch belegte Feststellung. Eine Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates dokumentierte Morde, die gezielte Schädigung von Palästinenserinnen und Palästinensern, die bewusste Schaffung lebensfeindlicher Bedingungen und Maßnahmen, die Geburten verhindern sollen. Grundlage sind Interviews mit Überlebenden, Ärztinnen und Ärzten, ausgewertete Dokumente und Satellitenbilder. Es ist ein Dossier, das Israel in den Gerichtssaal von Den Haag gehört – nicht an die Tische internationaler Gipfeltreffen.
Doha: Solidarität ohne Konsequenzen
Nach dem israelischen Angriff auf Katar, bei dem auch Hamas-Vertreter getötet wurden, lud die katarische Herrscherfamilie zu einer Sonderkonferenz in Doha. Über 70 Staaten nahmen teil, viele von ihnen Mitglieder der Arabischen Liga oder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit. Die Erklärung war deutlich: Israel wird Genozid, ethnische Säuberung, Belagerung und Hungerpolitik vorgeworfen. Zugleich wurde die Solidarität mit Katar betont und eine Zweistaatenlösung beschworen.
Doch Doha zeigte auch das Scheitern der internationalen Diplomatie. Während Iran schärfere Maßnahmen verlangte, darunter rechtliche Schritte gegen das „zionistische Regime“, scheuten viele arabische Staaten konkrete Konsequenzen. Man verurteilte, man warnte – aber man handelte nicht. Die Normalisierungspolitik der letzten Jahre und die engen Beziehungen zu den USA wiegen schwerer als die Solidarität mit dem palästinensischen Volk.
Eskalation über Gaza hinaus
Israels Krieg bleibt nicht auf Gaza beschränkt. In Jemen bombardieren israelische Flugzeuge die Hafenstadt Hodeidah, töten Zivilistinnen und Zivilisten und zerstören Infrastruktur. Syrien und der Libanon werden ebenfalls regelmäßig angegriffen und Teile der Länder sind von der israelischen Armee besetzt. Auch der Iran war bereits Ziel israelischer Angriffe. Netanjahu brüstete sich damit, US-Präsident Donald Trump habe ihn vor den Angriffen in Katar informiert – ein weiteres Zeichen der Rückendeckung durch Washington.
Die Houthis reagieren mit Drohnen- und Raketenangriffen, die bis nach Eilat und Jerusalem reichen. Israel wiederum schwört, Vergeltung zu üben, wann und wo immer es will. Die Spirale der Gewalt dreht sich weiter – und mit jedem israelischen Schlag wächst die Gefahr, dass der Krieg von Gaza auf die gesamte Region übergreift.
Die Welt steht am Abgrund
Was in Gaza geschieht, ist ein Völkermord am palästinensischen Volk. Wer das leugnet, verschließt die Augen vor den Fakten. Aber es ist mehr als das: Es ist der Zündfunke für einen regionalen Flächenbrand. Israel destabilisiert mit seiner Politik nicht nur Gaza, sondern den gesamten Nahen Osten. Jeder neue Angriff erhöht das Risiko eines umfassenden Krieges, der die Völker der Region – auch die Israelis selbst – ins Verderben reißen könnte.
Die internationale Gemeinschaft steht vor einer historischen Entscheidung. Entweder sie begnügt sich weiter mit scharfen Worten, während Netanjahu und seine Komplizen Fakten schaffen – oder sie handelt endlich: durch Waffenembargos, Sanktionen, internationale Strafverfahren und den unmissverständlichen Bruch mit einem Staat, der Völkermord betreibt.
Alles andere bedeutet, die Region in den Abgrund eines großen, umfassenden Krieges stürzen zu lassen – und dabei zuzusehen.
Quelle: AJ/AJ/902.gr/902.gr/jW