Vor acht Jahren nahmen es österreichische Angehörige des UN-Militärkontingents am Golan in Kauf, dass eine syrische Polizeistreife von einer Verbrecherbande massakriert wurde – und dokumentierten dies sogar auf Video. Nun hat die Wiener Staatsanwaltschaft entschieden, dass dabei offenbar alles in Ordnung war.
Wien. Mit der Resolution 350 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen wurde 1974 die internationale „Blauhelm“-Mission UNDOF (United Nations Disengagement Observer Force) geschaffen, um zwischen den Kriegsparteien Syrien und Israel eine Pufferzone zu schaffen. Die israelische Armee hatte zuvor im Jom-Kippur-Krieg die bereits 1967 im Sechs-Tage-Krieg erstmals besetzten syrischen Golan-Höhen zurückerobert. Später, 1981, annektierte Israel den Golan, was einen klaren Bruch des international gültigen Völkerrechts darstellt. Wie dem auch sei – seit 1974 trennen UN-Truppen die militärischen Konfliktparteien, d.h. die Streitkräfte der Arabischen Republik Syrien und die Okkupanten der so genannten „Israelischen Verteidigungskräfte“.
Bundesheer als Puffer zwischen Syrien und Israel
Die Hauptkontingente der UNO-Mission wurden zumeist von indischen und philippinischen Soldaten, insbesondere aber vom österreichischen Bundesheer („UNDOF Ausbatt“) gestellt. Das 235 Quadratkilometer große UN-Mandatsgebiet, das nun seit 1974 den israelisch besetzten Golan im Westen vom Rest Syriens im Osten trennt, liegt auf syrischem Staatsgebiet – d.h. die „Blauhelme“ befinden sich dort mit Genehmigung der Damaszener Regierung. Die Zone ist abgesehen von den UN-Soldaten entmilitarisiert, aber unter Kontrolle des syrischen Staates und seiner Polizei. Insgesamt waren rund 29.000 österreichische Soldaten seit 1974 im Einsatz, 27 kamen dabei ums Leben, die reguläre Truppenstärke des UNDOF Austrian Battalion betrug zumeist etwa 370 Mann. Im September 2012 war es, wie erst 2018 durch ein dem „Falter“ zugespieltes Video bekannt wurde, zu einem Zwischenfall gekommen, der nun in Österreich juristisch untersucht und ohne Konsequenzen zu den Akten gelegt wurde.
Soldaten schickten Polizisten bewusst in Hinterhalt
Das von den österreichischen Soldaten selbst aufgenommene Video zeigt zunächst, wie eine syrische Schmugglerbande einen bewaffneten Hinterhalt legt. Bald darauf erscheint dann tatsächlich ein Fahrzeug der syrischen Polizei am UN-Checkpoint, mit Fahrtrichtung des Hinterhalts. Die Bundesheerangehörigen sehen davon ab, die Polizisten vor der tödlichen Gefahr zu warnen und lassen sie passieren. Das Video dokumentiert in weiterer Folge den Angriff der Verbrecherbande auf die Polizeistreife, alle neun Polizisten werden ermordet. Die österreichischen Soldaten kommentieren auf der Tonspur die Vorgänge und haben durchaus Bedenken, ob man die Syrer nicht hätte warnen sollen – sie befürchten sogar, dass die Polizisten, sofern welche überleben sollten, zurückkommen und sich rächen würden, schließlich wiegen sie sich aber in Sicherheit mit der Gewissheit, dass ohnedies alle von den Verbrechern getötet werden würden. Kurz gesagt: Im vollen Wissen, sie in den sicheren Tod zu schicken, haben die österreichischen Blauhelme einer regulären Polizeieinheit des syrischen Staates nicht nur nicht geholfen, sondern sie einfach vorbeigewunken und nicht auf die lauernde Verbrecherbande hingewiesen. Der Völkerrechtsexperte Manfred Nowak wies 2018 darauf hin, dass die österreichischen Soldaten wegen Beihilfe zum Mord juristisch belangt werden könnten. Das FPÖ-geführte Verteidigungsministerium (Minister Kunasek) versprach eine Untersuchung und „vollständige Aufklärung“.
Staatsanwaltschaft sieht kein Fehlverhalten
Die Staatsanwaltschaft Wien hat nun, zwei Jahre nach Bekanntwerden des Vorfalls, allerdings entschieden, dass kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, da es keinen relevanten „Anfangsverdacht“ gebe. Damit folgte die Staatsanwaltschaft der Ansicht der von Kunasek seinerzeit eingesetzten Untersuchungskommission, die meinte, die österreichischen UNO-Soldaten hätten den Auftrag gehabt, alles zu unterlassen, was eine der Konfliktparteien als Einmischung betrachten könnte. Das mag vielleicht auch auf das UNDOF-Mandat zwischen den Konfliktparteien Syrien und Israel zutreffen, aber eine (syrische) Schmuggler- und Mörderbande ist am Golan eben genau keine Konfliktpartei, sondern eine Verbrechergruppe, was man doch gewiss in Jerusalem ebenso sehen wird wie in Damaskus. Nur in Wien nicht, denn hier stellt man amtlich und juristisch fest: Soldaten des österreichischen Bundesheeres, die im Auftrag der UNO und mit Unterstützung des Vertragspartners der syrischen Regierung für Sicherheit sorgen sollen, brauchen nichtstaatliche, offensichtlich kriminelle Vereinigungen nicht in ihrem Tun behindern.
Hilflosigkeit der UNO, Unwillen in Wien
Einerseits unterstreicht dies alles die Hilflosigkeit der UNO-Blauhelme (nicht zum ersten Mal), andererseits aber auch, dass mutmaßliche Beihilfe zum Mord und unterlassene Hilfeleistung durch Bundesheerangehörige keinen zwingenden Ermittlungsgegenstand für die österreichische Justiz darstellen. Somit sieht man auch: Die hauptverantwortliche Regierungsperson im Wiener Justizministerium mag noch so grün, weiblich und migrationshintergründig sein – trotzdem werden solch unfassbare Schweinereien weiterhin gedeckt. Dafür braucht es nicht einmal eine ÖVP/FPÖ-Koalition. Das österreichische UNDOF-Kontingent ist übrigens im Juli 2013, zehn Monate nach dem Vorfall, vom Golan abgezogen: Wegen der schwierigen Sicherheitslage. UNO-Soldaten, die für derartige Feigheit, Unzuverlässigkeit und Menschenverachtung stehen, sind aber ohnedies nutzlos für die syrische und israelische Bevölkerung. Mehr noch: Die verantwortlichen Personen ziehen auch die übrigen aufrichtigen und die im Einsatz zu Tode gekommenen „Blauhelm“-Kameraden in den Schmutz.
Quelle: Der Standard