In der Nacht von Sonntag auf Montag hat die Polizei in Bochum einem gehörlosen zwölfjährigen Mädchen in den Bauch geschossen. Sie wurde lebensgefährlich verletzt. Laut Polizei ging sie zuvor mit zwei Küchenmessern auf die Beamten zu.
Deutschland/Bochum. Am vergangenen Sonntag wurde in einer Wohngruppe in Münster die Abwesenheit des Mädchen entdeckt. Die von den Betreuern alarmierte Polizei fand sie Stunden später in der Wohnung ihrer Mutter. Die ebenfalls gehörlose Frau öffnete die Tür erst nach einer Stunde und versperrte den Beamten den Zutritt zur Wohnung. Da der Mutter bereits das Sorgerecht entzogen worden war und die Einsatzkräfte das vemisste Mädchen in der Wohnung sehen konnten, verschafften sie sich mit Gewalt Zutritt. Die Mutter wurde auf den Gang gezogen und mit Handschellen fixiert. Als die Zwölfjährige daraufhin mit zwei Küchenmessern auf die Beamten zuging, feuerten diese Taser und Handfeuerwaffe ab. Die Polizei versorgte das Mädchen daraufhin bis zum eintreffen der Rettungskräfte, sie wurde ins Krankenhaus gebracht und hat eine Notoperation “gut überstanden”, ihr Zustand sei “kritisch aber stabil”.
Ein Fall aber kein Einzelfall
Menschen mit Messern in offensichtlicher Krisensituation und die deutsche Polizei, nachweislich keine gute Kombination. Vor weniger als einem Jahr berichtete die ZdA über die Freisprüche im Mordfall Mouhamed Drame. Der Flüchtling aus Senegal kämpfte schon länger mit Suizidgedanken. Als er von Einsatzkräften mit einem Messer am Bauch angetroffen wurde, erschossen diese ihn, anstatt ihm zu helfen.
Auch die Zwölfjährige aus Münster war augenscheinlich in einer Krisensituation. In einer Krisensituation, für die die Polizei nicht ausgebildet ist, und für die sich die Polizei nicht die nötige Unterstützung holen wollte. Wenn man die mediale Berichterstattung zusammengefasst betrachtet, hat die Suche mehrere Stunden gedauert, zuzüglich warteten die Einsatzkräfte eine volle Stunde vor der Wohnung der gehörlosen Mutter. Ein Gebärdensprachdolmetscher wurde allerdings nicht herbeigezogen, aus Zeitgründen heißt es. Irgendjemand mit irgendeiner Form von sozialer Ausbildung wurde wohl nicht einmal in Erwägung gezogen.
Behindertenverband sieht strukturelles Problem
Der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland e. V. (ABiD) kommentierte schon 2022 die zunehmende und brutale Polizeigewalt gegen Menschen mit Beinträchtigungen. Der Sozialberater des ABiD, Dennis Riehle, sagte in Reaktion auf den Fall von Ante P,: „Personen, die wegen einer seelischen Beeinträchtigung verhaltensauffällig wurden und deshalb von Beamten ruhiggestellt werden sollten, haben den Einsatz der Polizei zum wiederholten Male nicht überlebt. Das ist ein Armutszeugnis für einen demokratischen Rechtsstaat, in dem gerade Menschen mit Behinderung einen ausgewiesenen Schutz verdienen und auch von der Staatsgewalt nicht mit übertriebener Härte behandelt werden dürfen“Riehle fordert weiter, dass die Ausbildung der Polizei angepasst werden müsse, auf den adäquaten Umgang mit Personen mit psychischen Erkrankungen und Stressresistenz der Einsatzkräfte fokussiert werden müsse. Eine wünschenswerte Veränderung. Sollte sie passieren, sollte sie im gegenwärtigen System auch nur annähernd möglich sein, so kam sie auf jeden Fall für ein zwölfjähriges Mädchen aus Münster zu spät.
Quelle: Tagesschau/Zeitung der Arbeit/heute/ABID


















































































