Wien. Der Fiskalrat meldet sich zu Wort und warnt vor zu hohen Budgetdefiziten. Wieder einmal wird die bekannte Erzählung bemüht: Das Staatsdefizit sei zu hoch, die Konsolidierung unzureichend, weitere Sparschritte unausweichlich. Was als nüchterne Expertenanalyse daherkommt, ist in Wahrheit Teil eines politischen Projekts, das seit Jahrzehnten dieselbe Richtung kennt – Sparen, kürzen, disziplinieren. Und zwar nicht dort, wo Reichtum konzentriert ist, sondern dort, wo Menschen von ihrer Arbeit leben müssen.
Der aktuelle Jahresbericht des Fiskalrats reiht sich nahtlos in diese Logik ein. Zwar bescheinigt er der Regierung bis 2026 eine gewisse Zielerreichung, doch ab 2027 sieht er das Budget kritisch. Die magische Grenze von drei Prozent Defizit gemessen am Bruttoinlandsprodukt wird zum Maß aller Dinge erklärt. Dass diese Zahl kein Naturgesetz ist, sondern ein politisches Konstrukt aus den Maastricht-Verträgen, wird ebenso wenig thematisiert wie die sozialen Konsequenzen jener Politik, die zu ihrer Einhaltung notwendig ist.
Der Fiskalrat versteht sich als unabhängiges Gremium. Doch Unabhängigkeit wovon und für wen? Seine Analysen bewegen sich konsequent innerhalb eines engen ökonomischen Rahmens, der Staatsausgaben primär als Kosten und Schulden als moralisches Problem begreift. Öffentliche Investitionen erscheinen in dieser Sichtweise nicht als Mittel zur Verbesserung von Lebensbedingungen, sondern als Risiko für „Nachhaltigkeit“. Nachhaltig ist hier nicht das Wohlergehen der Bevölkerung, sondern die Bedienung von Kennzahlen und Profitstreben.
Wenn der Fiskalrat kritisiert, dass künftige Konsolidierungsschritte nicht ausreichend „konkret unterlegt“ seien, dann meint er damit vor allem eines: Es wird noch nicht klar genug gesagt, wo gekürzt werden soll. Erfahrungsgemäß wissen wir jedoch sehr genau, wie solche Kürzungen aussehen. Sie treffen den Sozialstaat, öffentliche Dienstleistungen, Pflege, Bildung und kommunale Infrastruktur. Sie treffen jene, die ohnehin unter steigenden Mieten, hoher Teuerung und prekären Arbeitsverhältnissen leiden. Für Vermögen, Profite und Kapitalerträge hingegen bleibt erstaunlich oft kein Konsolidierungsbedarf erkennbar.
Die Verteufelung von Schulden erfüllt dabei eine zentrale Funktion. Staatliche Verschuldung wird als Belastung für „kommende Generationen“ dargestellt, während gleichzeitig akzeptiert wird, dass heutige Generationen in Armut aufwachsen, in überfüllten Klassen lernen oder in unterbesetzten Pflegeheimen arbeiten. Schulden bei Banken gelten als problematisch, Schulden gegenüber der eigenen Bevölkerung – in Form kaputtgesparter öffentlicher Strukturen – nicht.
Dass selbst die aktuellen Defizitprognosen des Fiskalrats für die nächsten Jahre teils unter jenen der Bundesregierung liegen, ändert nichts am Grundton der Warnung. Die Botschaft ist klar: Es wird nicht genug gespart. Dass Sparpolitik in den vergangenen Jahrzehnten weder soziale Sicherheit noch wirtschaftliche Stabilität gebracht hat, sondern Ungleichheit vertieft und Krisen verschärft, bleibt ausgeblendet.
Aus einer klassenpolitischen Perspektive ist diese Debatte eindeutig. Haushaltskonsolidierung ist kein technisches Problem, sondern eine Machtfrage. Sie entscheidet darüber, wer für Krisen bezahlt, die nicht von ihm verursacht wurden. Solange Schulden zum zentralen Feind erklärt werden, während Ausbeutung, Profitorientierung und ungleiche Eigentumsverhältnisse unangetastet bleiben, ist jede Konsolidierungsdebatte eine Debatte gegen die Rechte und den Lebensstandards der Arbeiterklasse und gegen die Armen.
Der Fiskalrat liefert dafür die scheinbar objektive Legitimation. Umso wichtiger ist es, diese vermeintliche Sachzwanglogik als ein politisches Instrument zur Durchsetzung der Interessen der Reichen auf dem Rücken der Mehrheit zu benennen.
Quelle: ORF




















































































