Friedrich Wolf (1888–1953) war Schriftsteller und Dramatiker, Arzt, Antifaschist, Kommunist und Kulturpolitiker, einer der ersten deutschen Mediziner, die sich offensiv für legale Schwangerschaftsabbrüche einsetzten (1929, Drama “Cyankali”). Von den Nazis als Jude und KPD-Mitglied verfolgt, überlebte Wolf in der UdSSR, ehe er 1946 zurückkehren konnte. In der DDR wurde er Mitglied der SED, war Gründungsmitglied der Akademie der Künste und übernahm verschiedene Funktionen. Auch zwei seiner Söhne sind mit der Geschichte der DDR eng verbunden, nämlich der Regisseur Konrad Wolf (1925–1982, u.a. “Der geteilte Himmel”) sowie der stv. MfS-Leiter Markus Wolf (1923–2006). – Zu den heurigen Jahresendzeitfesten bringen wir Friedrich Wolfs Gedicht „Glockenstimme“.
Es gibt Poeten, die sagen:
Der Sturm setzte die Glocken in Gang -
Oder:
Geister, die in den Lüften klagen,
zerrten am Glockenstrang.
Aber das ist faules Gerede,
denn der Mensch ist es, der jede Glocke bewegt,
der Mensch ist es, der Mensch.
Es gibt Reporter, die deuten
mit zitternder Kehle darauf hin:
Nur einmal im Jahr werde diese Glocke läuten
nur zur Weihnacht, das sei ihr Sinn.
Aber vielleicht wird gerade diese Glocke sprechen,
wenn Menschen Kerkermauern zerbrechen,
in einer andern Nacht
weil es der Mensch ist,
der die Glocke zum Schwingen gebracht,
weil es der Mensch ist, der Mensch.
Es gibt Priester, die sagen:
Jene Glocke läute nur ganz zart
„Friede auf Erden!“
weil Maria das Kindlein getragen
und Christus geboren ward.
Aber wer sagt Euch, dass nicht einmal jene Frau
den Glockenstrang wird fassen,
damit alle Frauen auf die Straßen
eilen, mit Hämmern und Beilen,
den gierigen Kriegsgöttern
das Maul zu verkeilen,
damit kein Sohn mehr am Kreuz muss leiden
damit keine Söldnerlanze ihm öffnet die Seiten,
dass nicht weiter die Herren schuldlos lächeln,
während die Verdammten am Querholz verröcheln -
Denn auch das ist Menschenstimme,
wenn in wildem Grimme
die zarte Glocke ihr Sturmlied gesungen,
von einer Mutter am Strang geschwungen
für den Sohn,
für den Sohn,
für des Menschen Sohn.




















































































