Gastbeitrag von Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i. R. für Geschichte an der Universität Innsbruck.
Zu einem neuen Buch
In diesem Jahr hat der trafo Verlag in Berlin das Buch „>Wenn Moskau das so will…< Eine Ernst Thälmann Biografie“ veröffentlicht. Sein Verfasser ist Ronald Friedmann (*1956), der in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) aufgewachsen ist und nach seinem Studium in Lateinamerikanistik und Geschichte an der Wilhelm-Pieck- Universität Rostock als Angestellter im Auswärtigen Dienst der DDR tätig war. Aufgrund der Öffnung von bislang nicht zugänglichen Archivalien wollte Ronald Friedmann die in der DDR tradierte Biografie von Ernst Thälmann (geb. 16. 4. 1886 in Hamburg, ermordet 18. 8. 1944, Buchenwald) hinterfragen. Der in der DDR aufgewachsene Ilko-Sascha Kowalczuk (*1967) hat ein Jahr zuvor in einem anderen Verlag mit seiner zweibändigen Biografie von Walter Ulbricht (1893–1971), einem Kampfgenossen von Ernst Thälmann, mit imposantem Aufwand den ideologischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland, die bekanntlich wieder Kriege führt und Europa im Krieg gegen die „Russen“ anführen will, historiographische Waffenhilfe in liberaler Verkleidung gegeben.[1]
Die 1979 von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Günter Hortzschansky (1926–2015) publizierte Standardbiografie von Ernst Thälmann ist wissenschaftlich im Kontext des gesellschaftspolitischen Umfeldes erarbeitet. Deren dritte Auflage wurde 1980 von der DDR-Delegation der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) an die Delegierten des 24. Parteitages der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), der vom 6. – 8. Dezember 1980 in Wien abgehalten wurde, als Geschenk gegeben.[2] Vorausgegangen ist dieser Biografie die von Wilhelm Pieck (1876–1960) bevorwortete und mit einer am 18. August 1949 von Walter Ulbricht gehaltenen Gedenkrede erweiterte Schrift des 1937/38 als Kriegskommissar des Bataillons „Ernst Thälmann“ der der 11. Internationalen Brigade im spanischen Bürgerkrieg Willi Bredel (1901–1964) „Ernst Thälmann. Beitrag zu einem politischen Lebensbild“.[3]
Für die vom herrschenden System und seinen Medien als „Unrechtsstaat“ verleumdete DDR war Ernst Thälmann eine Persönlichkeit, die sich nach dem deutschen Faschismus mit ihrem Führer Adolf Hitler (1889–1945) als Symbol für Aufbruch und Neuanfang des deutschen Volkes in eine von den Zwängen der imperialistischen Klassengesellschaft befreite Zukunft anbot. Sein Name war durch die nach seiner Inhaftierung durch die Nazis (3. März 1933) aktivierten Solidaritätskomitees weltbekannt. Hafenarbeiter in San Francisco haben in Buchstaben seinen Namen auf Kaimauern geschrieben, in Tokio wurden an Straßenbahnfahrgäste Handzettel des Thälmann-Komitees verteilt.[4] Der spanische Dichter Emilio Prados (1899–1962) schrieb für die Genossen des „Thälmann Bataillons“ unter ihrem General Modesto Guilloto (1906–1969), der nach dem Sieg der spanischen Faschisten der Sowjetarmee gedient hat, ein Kampfgedicht.[5] Österreichs illegale Kommunisten schreiben in ihrem Organ „Die Rote Fahne“ am 15. Mai 1936, dass der Kampf um die Befreiung Thälmanns „heute der Kampf um den Frieden“ ist.
Am 13. Dezember 1948 war im Vorlauf der Gründung der DDR (7.Oktober 1949) in der sowjetischen Besatzungszone von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) die Pionier-Organisation Ernst Thälmann gegründet worden. Mit der Jugend sollte der Aufbruch in die neue Zeit eines Staates erfolgen, dessen Macht in den Händen der Arbeiterklasse im Bündnis mit den werktätigen Bauern liegt. Heranwachsende Kinder sangen das von Kuba (1914–1967) (d. i. Kurt Walter Barthel gedichtete und von Eberhard Schmidt (1907–1996) komponierte Thälmann-Lied mit dem Refrain „Thälmann und Thälmann vor allen! Deutschland unsterblicher Sohn. Thälmann ist niemals gefallen, Stimme und Faust der Nation, Thälmann ist niemals gefallen, Stimme und Faust der Nation“.[6] Die Thälmann Pioniere gelobten in der vierten Klasse: „Ernst Thälmann ist unser Vorbild. Ich gelobe zu lernen, zu arbeiten und zu kämpfen, wie es Ernst Thälmann lehrt“. 1973 erschien im Verlag Junge Welt (auch Weltkreis Verlag GmbH Dortmund) ein von Rudolf (Rudi) Chowanetz (1933–2000) zusammengestellter und von Kurt Zimmermann (1913–1976) illustrierter „Frühlingsgruß“ mit „Geschichten über Ernst Thälmann“. Mit dem im Kinderbuchverlag Berlin 1976 für Jungen und Mädchen ab 10 Jahre veröffentlichte Lesebuch „Rot Front, Teddy!“ sollte vermittelt werden, was das Rote Halstuch für Thälmann-Pioniere bedeutet. Voll Optimismus schreibt Erich Honecker (1912–1994): „So wie Ihr heute seid, so haben sich Ernst Thälmann und all die Genossen, die für die neue Zukunft unseres Volkes kämpften und ihr Leben gaben, die Kinder des siegreichen Sozialismus vorgestellt. Klug und selbstbewußt, höflich und bescheiden, optimistisch und fröhlich, aktiv und von klein auf mit den Idealen und dem Kampf der Arbeiterklasse verbunden“.[7] Die in der DDR groß gewordenen Historiker Kurt Pätzold (1903–2016) und Manfred Weißbecker (*1935) haben in ihrem 2005 herausgegebenen „Kleinen Lexikon historischen Schlagwörter“ die Funktion des Bildes von Ernst Thälmann („Thälmann ist niemals gefallen“) in der DDR revisionistisch hinterfragen lassen: „Doch die Thälmann-Legende – ein Blendgemisch aus Dichtung, Halbwahrheiten und historischen Analogien – diente zugleich als Feigenblatt, um die Schattenseiten der KPD-Geschichte zu verdecken“.[8] Der bundesdeutsche Antikommunist Hermann Weber (1928–2014) hat in der Neuen Deutschen Biographie darüber ähnlich geschrieben.[9] Auch der österreichische Sozialdemokrat und Bundeskanzler Bruno Kreisky (1911–1990) hielt es in seinen Erinnerungen für nötig, Ernst Thälmann und die KPD als Opfer von Stalin zu bezeichnen, weil dieser „seinen teuflischen Plan verwirklichen“ wollte, Hitler in Deutschland an die Macht zu verhelfen.[10]
Obschon Ernst Thälmann in einer Arbeiterfamilie ohne höhere Schulbildung in Hamburg aufgewachsen ist, hat er an einer Weggabelung seines jungen Lebens instinktiv und mit Herzblut den Entscheid zum revolutionären Kampf gegen die herrschende und zum Krieg rüstende Kapitalistenklasse in der sich sammelnden deutschen Arbeiterbewegung getroffen. Auf die Otto von Bismarck (1815–1898) in eine mythische Sphäre erhebende monumentale Rolandsgestalt am Elbeufer seiner Heimatstadt Hamburg hat er dabei jedenfalls nicht gesehen. Dennoch, deutsche Geschichte und Herkunft prägten Ernst Thälmann wie diese jeden Deutschen auch in der Gegenwart prägen. Organisiert in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und in den (freien) Gewerkschaften bemühte er sich vor Kriegsausbruch, in politischen Zusammentreffen den Frieden im Gespräch zu halten. Die Zustimmung der zu einer reformistischen Arbeiterpartei transformierten SPD zu den Kriegskrediten (4. August 1914) setze dieser Hoffnung ein Ende. Als Kanonier eingezogen ordnete sich Ernst Thälmann seit Anfang 1915 an der Front gegen Frankreich der Soldatenpflicht unter. Nach den Jahren des Fronteinsatzes traf Ernst Thälmann am 11. November 1918 wieder in Hamburg ein, er war jetzt 32 Jahre alt. Mit dem in der Nachkriegszeit von der Sozialdemokratie gepredigten politischen Opportunismus vom „kleineren Übel“, das von Bertolt Brecht (1898–1956) in seinem „Lied vom Flicken und vom Rock“[11] wiedergegeben wird, wollte er nichts zu tun haben.
Das, was von den Bolschewiken mit Wladimir I. Lenin (1870–1924) an der Spitze und von der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution (1917) bekannt war, hat Ernst Thälmann geprägt. Ernst Thälmann ordnete sich ein in den revolutionären Kampf für eine Gesellschaft, in der die Freiheit aller die Freiheit jedes einzelnen garantiert, er hatte die psychische Kraft, für seine Entscheidung auch Opfer zu bringen. Im Dezember 1918 trat Ernst Thälmann der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) bei. Auf dem Vereinigungsparteitag der revolutionären Kräfte der USPD mit der auf ihrem ersten Parteitag (30. 12.1918 – 1. 1.1919) gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in Berlin (4.–7. Dezember 1920) wurde Ernst Thälmann in die Führung der KPD gewählt, an deren Spitze Rosa Luxemburg (1871–1919) und Karl Liebknecht (1871–1919) standen, die beide von der Reaktion ermordet wurden.[12] Im Sommer 1921 hörte er in Moskau als Delegierter zum III. Weltkongress der Kommunistischen Internationale (KI) noch Wladimir I. Lenin unter der Losung „Heran an die Massen!“ sprechen. Ernst Thälmann war in Hamburg einer der Anführer des isoliert bleibenden dreitägigen bewaffneten Aufstandes revolutionärer Arbeiter (24. – 25. 10. 1923) und wurde nach einigen Monaten in der Illegalität am 4. Mai 1924 als Kandidat der KPD in den Reichstag gewählt, dessen Mitglied er bis zur VIII. Wahlperiode Mitglied war. Ab dem V. Weltkongress der KI in Moskau (17. 6. – 8. 7. 1924), auf dem der Georgier Josef Wissarioniwitsch Dschugaschwili genannt Stalin („der Stählerne“) (1878–1953) zum Generalsekretär gewählt wurde, gehörte Ernst Thälmann dem Exekutivkomitee als Mitglied an. Das war ihm kein in den Schoss gefallener Kaderposten, aber doch auch Ausdruck jener „Zufälligkeiten“ in der Geschichte, über die Karl Marx (1818–1883) in seinem Brief an Ludwig Kugelmann (1828–1902) verallgemeinernd schreibt: “Diese Zufälligkeiten fallen natürlich selbst in den allgemeinen Gang der Entwicklung und werden durch andre Zufälligkeiten wieder kompensiert. Aber Beschleunigung und Verzögerung sind sehr von solchen <Zufälligkeiten< abhängig – unter denen auch der >Zufall< des Charakters der Leute, die zuerst an der Spitze der Bewegung stehn, figuriert“.[13]
Als „Kandidat der Armen gegen die Reichen“ appellierte Ernst Thälmann, seit 20. 8. 1925 an der Spitze der KPD, für eine „rote Einheitsfront“ gegen die neu gegründete nationalsozialistische Partei (NSDAP) unter Führung von Adolf Hitler (1889–1945).[14] Diese verstand es, mit ihrer aggressiven Demagogie den Begriff der Klasse durch den Begriff der Rasse zu ersetzen und mit seinen Medienkampagnen die Unterstützung der reaktionärsten Teile des deutschen Finanzkapitals zu gewinnen. Die Mehrheit der konformistischen Intellektuellen Deutschlands wusste wie immer, wer ihnen mehr Taler zahlt. Auf dem 12. Parteitag der KPD (8.–14. Juni 1929) warnte Ernst Thälmann das deutsche Volk vor der Machtergreifung des Faschismus. Mit der „Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes“, mit einem Arbeitsbeschaffungsplan und einem Bauernhilfsprogramm war die KPD eine reale Alternative zur volksfeindlichen Politik des deutschen Finanzkapitals mit seiner nationalsozialistischen Bewegung.[15]
Die KPD strengte sich an, unter schwierigsten Verhältnissen eine parteiübergreifende „Antifaschistische Aktion“ zu organisieren, die über moralische Gesten hinausging. Zu den Reichspräsidentenwahlen 1932 traten Paul Hindenburg (1847–1934), Adolf Hitler und Ernst Thälmann an, dieser mit der Losung „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg“. Die SPD plakatierte, geprägt vom rabiaten Antikommunismus der rechten SPD-Führer wie Kurt Schumacher (1895–1952), dagegen „Schlagt Hitler Deshalb Wählt Hindenburg!“. Der gewählte Hindenburg ernannte ein paar Monate später Adolf Hitler zum Reichskanzler (30. Januar 1933). Der faschistische Alptraum wurde Wirklichkeit. In den ersten Jahren weckte die Hitlerdiktatur trotz ihrer manifestierten verbrecherischen Ideologie und Praxis noch Illusionen. Der zwanzigjährige, aus der reichen Herrenklasse der USA kommende John F. Kennedy (1917–1963) war bei seiner Reise durch das faschistische Deutschland von der relativen Stabilisierung des deutschen Kapitalismus eingenommen und schrieb 1937 ohne jede Kenntnisnahme des überall wahrnehmbaren irrationalen Judenhasses und der Kommunistenverfolgung in sein Tagebuch von rheinischen Städten, die „alle sehr reizend sind“, und von der sich ihm offenbarenden Überlegenheit der „nordischen Rassen“.[16]
Am 3. 3. 1933 wurde Ernst Thälmann als einer von tausenden Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerlichen Demokraten aus Anlass des von Nationalsozialisten in Brand gesetzten Berliner Reichstags (27. 2. 1933) von der faschistischen Polizei verhaftet. Ernst Thälmann blieb ohne jedes gerichtliche Urteil in Haft bis zu seiner Ermordung (18. 8. 1944) im Konzentrationslager Buchenwald, wohin er nach Berlin, Hannover (1937) und Bautzen (1943) im Auftrag des Reichssicherheitshauptamtes zur Ermordung überstellt wurde. Über das KZ Buchenwald sind in der DDR viele literarische Texte publiziert worden, die wegen ihrer politischen Ausrichtung im Heute schier als antisemitisch diskriminiert werden.[17]
Ernst Thälmann blieb seiner kommunistischen Überzeugung immer treu und wurde ihr Märtyrer. Der Biograf Ronald Friedmann lässt das Vorher aus, wenn er mit seiner Affektion denunziatorisch feststellt: „In der politischen Biografie Ernst Thälmanns gab es bis zum März 1933 kein einziges Geschehen, das eine wie auch immer geartete besondere Ehrung oder Würdigung gerechtfertigt hätte“ (S. 389). Ronald Friedmann spricht einige in diversen Archiven überlieferte, sich auf das Parteileben auswirkenden Unzulänglichkeiten und Verworrenheiten im Leben von Ernst Thälmann an und kommentiert diese übergroß. Im Wien des Sigmund Freud (1856–1939) liegt es nahe, dass dieser Biograf, der selbst „Thälmann-Pionier“ war, mit seiner Überzeichnung selbst seine Kindheit irgendwie aufarbeitet. Die von Ernst Thälmann geleiteten Sitzungen des Zentralkomitees zwischen zwei Parteitagen seien, so Ronald Friedmann, zu „inhaltsleeren Inszenierungen“ verkommen (S. 388) und vor allem: „Thälmann war ein ausgesprochen schlechter Redner, der, wie nicht zuletzt die wenigen überlieferten Tonaufnahmen belegen, meist mit sonorer Stimme sprach und nach jeweils drei oder vier Worten eine Pause macht, auch wenn der Satz noch nicht beendet war oder der Gedankengang dadurch unterbrochen wurde. Dazu gehörte, dass er regelmäßig an dem Problem scheiterte, seine >kunstvoll< verschachtelten Sätze zu einem logischen Ende zu führen. Er lief dann Gefahr, den sprichwörtlichen roten Faden zu verlieren, ohne dass ihm das immer bewusst wurde Thälmann redete in solchen Fällen einfach ohne Richtung weiter“ (S. 383). Wenn Ronald Friedmann über die von Ernst Thälmann nach vielen Kerkerjahren Anfang 1944 verfasste „Antwort auf Briefe eines Kerkergenossen“ resümiert, kommt dies einer hybriden intellektuellen Hinrichtung nahe: „für Thälmann keineswegs ungewöhnlich – ein dubioses Gemenge aus pathetisch-sentimentalen Gemeinplätzen, geschönten biografischen Versatzstücken und einer beinahe unerträglichen Bewunderung für das eigene Tun und Lassen. Thälmanns regelmäßige sprachliche Fehlleistungen tragen keinesfalls dazu bei, seine Darlegungen sympathischer zu machen“ (S. 450). Und weiter mokiert sich dieser Biograf: „Thälmann schreckte nicht einmal davor zurück, sich mit Christus zu vergleichen. >Als Christus für seinen Glauben sein Höchstes, sein Leben hingab und opferte, folgte ihm nur eine ganz kleine Schar von Glaubenskämpfern. […] Aber das Glaubensmärtyrertum, das ich auf mich nahm und das sich für große sozialistische Ideale im 20. Jahrhundert vollzieht, steht nicht vereinzelt und isoliert.< Denn hinter ihm, Thälmann, stünden die >sozialistische Sowjetunion [… und] eine Glaubensbewegung von idealistischen Kämpfern und Opfermenschen< in der ganzen Welt“ (S. 452).
Im Kinderbuch „Frühlingsgruß“ (s. o.) handelt die erste Geschichte vom jungen Schulbuben Ernst Thälmann, der dem ihn unterrichtenden Vikar widerspricht, als dieser sagt: „Wen Gott liebt, den läßt er leiden“. Ernst Thälmann dagegen: „Die Armen leiden nicht, weil es ein lieber Gott so will Sie leiden, weil die Reichen alles haben und die Armen nichts, weil die Reichen den Armen alles nehmen. So ist das!“ (Frühlingsgruß, S. 8).
Ernst Thälmann hat den von jüdischen Pharisäern in Jerusalem der römischen Herrschaft zur Tötung überantworteten Jesus Christus (am Kreuz getötet 30/31 n. u. Z.) mit den Worten einfacher Menschen und ohne theologische Einübung zum Vorbild genommen. Der Biograf Ronald Friedmann hat den „Mauerfall“ selbst erlebt. Er hätte bei seiner Passage über die Erinnerung von Ernst Thälmann an die Bedeutung der Nachfolge von Jesus daran denken können, dass gerade zu dieser Zeit des „Mauerfalls“ im fernen El Salvador sechs Jesuiten im Auftrag der USA getötet wurden (16. November 1989), weil sie sich wie Óscar Romero (1917–1980) und viele andere in offen gelebter Nachfolge von Jesus Christus für die Unterdrückten und Armen eingesetzt haben und deswegen als kommunistische Agitatoren galten.[18] Das hat der Parteikommunist Ernst Thälmann auf seine Weise getan, weshalb er im christlichen Sinne als Märtyrer starb. Mit Ernst Thälmann lässt sich in unserer Kriegszeit, wo der Antifaschismus schon wieder als verbrecherisch gebrandmarkt wird, einen Funken Hoffnung finden.
[1] Ilko-Sascha Kowalczuk: Walter Ulbricht: Der deutsche Kommunist. Verlag C. H. Beck, München 2023; Walter Ulbrich: Der kommunistische Diktator. Verlag C. H. Beck, München 2024.
[2] Dietz Verlag Berlin 3. A. 1980.
[3] Dietz Verlag Berlin 1. A. 1948 (mehrere Auflagen).
[4] Bruno Frei: Der Papiersäbel. Autobiographie. S. Fischer Verlag Frankfurt a. M. 1972, S. 186.
[5] Dolores Ibárruri: Der einzige Weg. Erinnerungen. Dietz Verlag Berlin 1985, S. 331 f.
[6] https://lieder-aus-der-ddr.de/
[7] Der Kinderbuchverlag Berlin 1. A. 1976, S. 8.
[8] Dort (Militzke Verlag Leipzig 2005) S. 254–256 Artikel von Ronald Sassnig: „Thälmann ist niemals gefallen“, hier S. 255.
[9] NDB 26 (2013), S. 71 f.
[10] Bruno Kreisky: Zwischen den Zeiten. Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten. Siedler Verlag und Kremayr & Scheriau Berliln / Wien 1986, S. 186 und 189.
[11] Z. B. Bertolt Brecht: Gedichte Band III 1930–1933. Aufbau Verlag Berlin 1961, S. 230 f.; vgl. Werner Mittenzwei: Das Leben des Bertolt Brecht oder der Umgang mit den Welträtseln. Band 1, Aufbau Taschenbuch Verlag Berlin 1. A. 1997, S. 368.
[12] Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover (Hg.): Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Dokumentation eines politischen Verbrechens. Suhrkamp Verlag Frankfurt a. M. 1967.
[13] MEW 33 (1973), S. 209 (Marx an Ludwig Kugelmann am 17. April 1871 aus London).
[14] Illustrierte Rote Woche. Die Wochenzeitung der Werktätigen vom 6. März 1932.
[15] Vgl. Kommunisten im Reichstag. Reden und biographische Skizzen. Dietz Verlag Berlin 1980 (Forschungsgruppe „Geschichte des parlamentarischen Kampfes der KPD in der Zeit der Weimarer Republik“ an der Sektion Marxismus-Leninismus der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg / Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands); Karl-Heinz Schöneburg / Gustav Seeber: Arbeiterklasse und Parlament. Parlamentarische Traditionen der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung 1848–1949. Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik 1984, hier S. 127.
[16] John F. Kennedy: Unter den Deutschen. Reisetagebücher und Briefe 1937–1945. Hg. von Oliver Lubrich. Aus dem Amerikanischen von Carina Tessari. Aufbau Verlag Berlin 2013, S. 110.-
[17] Artikel Buchenwald in: Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. Band 1 (2011), S. 441–446 (Wolfgang Emmerich).
[18] Vgl. z. B. Jon Sobrino SJ: Der Preis der Gerechtigkeit. Briefe an einen ermordeten Freund (= Ignatianische Impulse 25). Echter Verlag Würzburg 2007; Martin Maier SJ: Oscar Romero. Prophet einer Kirche der Armen. Herder Verlag Freiburg / Basel / Wien2015.