Dieses Jahr ist reich an Erinnerungen an die NS-Schreckensherrschaft, die vor 80 Jahren unter maßgeblicher Beteiligung der Roten Armee beendet wurde. In der Nacht zum 2. Februar 1945 wagten 500 dem Tode geweihte Offiziere der Roten Armee den Ausbruch aus dem KZ Mauthausen. Es folgte eine beispiellose Menschenhatz.
Mauthausen/Wien. In der Nacht zum 2. Februar 1945 brachen etwa 500 Offiziere der Roten Armee aus dem Block 20 des KZ Mauthausen aus. In Block 20 waren sogenannte K‑Häftlinge untergebracht. Als „K“-Häftlinge wurden ab Frühjahr 1944 aufgrund des „Kugel-Erlasses“ zwischen 2.000 und 5.000 Personen nach Mauthausen deportiert. Dabei handelte es sich vor allem um sowjetische kriegsgefangene Offiziere, die Fluchtversuche unternommen hatten, sowie Zwangsarbeiter, die der Sabotage oder politischen Betätigung bezichtigt worden waren. Diese Häftlinge sollten in Mauthausen ermordet werden. Zumindest 350 von ihnen exekutierte die SS, der Großteil wurde, ohne dass sie regulär als Häftlinge verzeichnet wurden, im durch elektrischen Stacheldraht und einer Steinmauer vom übrigen Lager isolierten Block 20 einfach dem Sterben überlassen. Die Häftlinge mussten auf dem Boden schlafen, erhielten kaum Nahrung und hatten daher keine Chance zu überleben.
Ausbruch aus dem KZ
In einem Akt der Verzweiflung unternahmen im Februar 1945 mehr als 500 sowjetische Offiziere einen Massenausbruch. Bewaffnet mit Pflastersteinen, Feuerlöschern, Seifen- und Kohlestücken griffen sie die Wachtürme an und warfen feuchte Decken über den elektrisch geladenen Stacheldraht. Der dadurch herbeigeführte Kurzschluss ermöglichte es ihnen, die Lagermauer zu überwinden. Entkräftet brachen manche sofort nach der Flucht im kalten Schnee zusammen, andere starben im Kugelhagel der SS. 419 Personen aber gelang die Flucht.
Die im Block 20 zurückgebliebenen Schwerkranken ermordete die SS noch in derselben Nacht. Gleichzeitig leitete sie eine Großfahndung ein, an der sich neben SS, Gendarmerie, Wehrmacht, Volkssturm, und Hitlerjugend auch zahlreiche Zivilpersonen aus dem lokalen Umfeld beteiligten. Fast alle Geflüchteten wurden gefangen und bestialisch getötet. In Ried in der Riedmark wurden die erschossenen und erschlagenen Häftlinge, die in der näheren und weiteren Umgebung ergriffen und ermordet wurden, bei der alten Volksschule eingesammelt und gestapelt. Diese Such- und Mordaktion wurde in den Unterlagen der SS zynisch als „Mühlviertler Hasenjagd“ bezeichnet.
Nur von elf von den am Ausbruch beteiligten 500 sowjetischen Offizieren ist bekannt, dass sie die Menschenjagd und das Kriegsende überlebten. Einzelne Bauernfamilien und zivile ausländische Zwangsarbeiter versteckten trotz des extrem hohen Risikos Häftlinge oder versorgten die in den umliegenden Wäldern versteckten Flüchtlinge mit Nahrungsmitteln.
Österreichs Beteiligung an den NS-Verbrechen
In einem Beitrag in der Berliner Tageszeitung junge Welt nimmt der Botschafter der Russischen Föderation in Österreich, Dmitrij Ljubinskij, die Erinnerung an dieses grausame Verbrechen zum Anlass, an die Beteiligung Österreichs an den NS-Verbrechen zu erinnern. „Nach dem ‚Anschluss‘ sind ca. 700.000 Österreicher (viele davon begeistert) der NSDAP beigetreten, nicht weniger als 1,3 Millionen dienten in der Wehrmacht, die meisten an der Ostfront. Gerade die Linzer 45. Infanterie-Division hat zum Beispiel am 22. Juni 1941 die Brester Festung gestürmt. Andere ‚ostmärkische‘ Divisionen haben bei Moskau, Leningrad, Stalingrad, Kiew, Minsk, Murmansk, auf der Krim und im Kaukasus den Vernichtungskrieg gegen die sowjetischen ‚Untermenschen‘ geführt“, erläutert er. Der Diplomat erinnert auch an die Stätten des Grauens auf dem Gebiet des heutigen Österreich: Es gab „mehr als 50 Konzentrationslager, Stalags und Vernichtungsstätten. Mauthausen mit seinen Außenlagern war für seine unmenschlichen Bedingungen besonders berüchtigt. Diesen Bedingungen sowie gezielten Mordaktionen fielen bis 1945 mindestens 90.000 der insgesamt dort eingesperrten 190.000 Häftlinge zum Opfer, darunter mehr als 30.000 sowjetische Häftlinge. Von allen Häftlingsgruppen wurden sowjetische Kriegsgefangene am schlimmsten behandelt“.
Die Ermordung des Generalleutnants Dmitri Karbyschew
Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die Ermordung des sowjetischen Generals Dmitri Karbyschew. Am 8. August 1941 erlitt Generalleutnant Karbyschew in der Schlacht am Dnjepr einen schweren Granatschock und wurde bewusstlos gefangen genommen. Die Nazis verwendeten in Folge viel Mühe darauf, ihn umzudrehen. Karbyschew galt nicht nur in der Sowjetunion, sondern weltweit als Militärwissenschafter von Rang, der sich mit Pioniertechnik beschäftigte. Alle Versuche, ihn gefügig zu machen, ihn einzukaufen oder ihn zu bedrohen, scheiterten und so landete er schließlich in mehreren Konzentrationslagern, zuletzt in Mauthausen. Der kanadische Major Seddon De St. Clair, der das KZ Mauthausen überlebte, schilderte den sowjetischen Behörden später die Umstände des Todes von Dmitri Karbyschew in der Nacht des 18. Februar 1945: „Sobald wir das Lager betraten, trieben uns die Deutschen in den Duschraum, befahlen uns, uns auszuziehen und ließen eisige Wasserstrahlen von oben auf uns herabprasseln. Das ging lange so. Alle wurden blau. Viele fielen zu Boden und starben sofort: Ihr Herz hielt es nicht aus. Dann wurde uns gesagt, wir sollten nur Unterwäsche und Holzschuhe an den Füßen anziehen, und wurden in den Hof hinausgeschmissen. General Karbyschew stand in einer Gruppe russischer Genossen nicht weit von mir. Wir begriffen, dass wir unsere letzten Stunden durchlebten. Ein paar Minuten später begann die Gestapo, die mit Feuerwehrschläuchen in der Hand hinter uns stand, Ströme von kaltem Wasser über uns zu gießen. Diejenigen, die versuchten, dem Bach auszuweichen, wurden mit Knüppeln auf den Kopf geschlagen. Hunderte von Menschen fielen erfroren oder mit zertrümmerten Schädeln zu Boden. Ich habe gesehen, wie auch General Karbyschew gefallen ist“.
Am 16. August 1946 wurde Generalleutnant Dmitri Michailowitsch Karbyschew für seine außergewöhnliche Standhaftigkeit und seinen Mut im Kampf gegen die deutschen Invasoren im „Großen Vaterländischen Krieg“ mit dem Titel „Held der Sowjetunion“ ausgezeichnet. 1948 wurde auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen ein Denkmal für den General eingeweiht. Die Inschrift darauf lautet: „An Dmitri Karbyschew. Wissenschaftler. Krieger. Ein Kommunist. Sein Leben und sein Tod waren eine Heldentat im Namen des Lebens.“
Quellen: KZ-Gedenkstätte Mauthausen /Junge Welt/AIF.ru/KZ-Verband/VdA Oberösterreich