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Zum Gedenken an Herbert Hörz

Gastbeitrag von Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i. R. für Geschichte an der Universität Innsbruck.

Der am 8. Juni d. J. in Berlin verstorbene Physiker, Wissenschaftshistoriker und Humanist Herbert Hörz, geboren in Stuttgart am 12. August 1933, gehört mit seinem enzyklopädischen Werk zu den herausragendsten Persönlichkeiten des wissenschaftlichen Lebens der Deutschen Demokratischen Republik. Aus Österreich sind ihm in den ersten Jahren seiner Laufbahn die marxistischen Wissenschaftler Engelbert Broda (1910–1983) und Walter Hollitscher (1911–1986) als Gesprächspartner für die Entwicklung seines umfassenden Weltbildes über die Zielsetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Menschen begegnet. Nach der Implosion der sozialistischen Länder Europas und dem Anschluss der Deutschen Demokratischen Republik an die Bundesrepublik Deutschland (20. September 1990) schlugen ihm und seiner als Ethikerin und Frauenrechtlerin kongenialen Lebenspartnerin Helga E. Hörz – beide haben gemeinsam 2013 das Buch „Ist Egoismus unmoralisch? Grundzüge einer neomodernen Ethik“ veröffentlicht (trafo Verlag Berlin) – die kollektive Verurteilung von Seiten des neuen deutschen Herrschaftssystems und seiner sich diesem andienenden, korrumpierten „Intellektuellen“ entgegen. Die Beute wurde vom imperialistischen System rasch aufgeteilt und der Raubzug in Richtung Osten und Südosten setzte mit den Schlachtrufen „Freiheit und Demokratie“ ein. Herbert Hörz arbeitete trotz allem wissenschaftlich produktiv weiter und publizierte Wahrheiten, die selbst Gleichgesinnten nicht immer „angenehm“ waren. Friede und Wahrheit, welche natürlich keine halbe sein kann, sind unteilbar! Erinnerungen an seine „Lebenswenden“ hat Herbert Hörz 2005 veröffentlicht (trafo Verlag Berlin).

Was bedeuten „Freiheit und Demokratie“ in der Realität der bürgerlichen Demokratie für das Volk, das alle paar Jahre seinen Stimmzettel abgeben darf? Die geradlinige und offene Antwort von Herbert Hörz auf diese Grundfrage unterscheidet sich nicht von jener, die Wladimir I. Lenin 1918 in der Auseinandersetzung mit den sozialdemokratischen Parteien (z. B. Über „Demokratie“ und Diktatur, Werke 28, 1975, S. 374–379) gegeben hat. Die Zeitung der Arbeit (ZdA) erinnert daran, weil deutlich wird, wie aktuell und hilfreich die Werke von Herbert Hörz im Lichte der gegenwärtigen Entwicklungen sind (Herbert Hörz: Sind Kriege gesetzmäßig? Standpunkte, Hoffnungen, Handlungsorientierungen. Berlin 2010. Forschungsinstitut Wissenschaftliche Vereinigung Weltwirtschaft und Weltpolitik e. V.):

„Wo tritt das Volk denn spezifisch in Erscheinung? Diese Frage wird allgemein meist mit dem Hinweis auf freie Wahlen beantwortet. Was verändern jedoch Wahlen im Hinblick auf soziale Rechte, wie Arbeit, Obdach, Bildung, Kinderbetreuung, Integration sozial Schwacher dann, wenn bei der Güterabwägung der Regierenden auf der anderen Seite die Interessen der Wirtschaft stehen, also gewissermaßen auf der Waagschale als Gegengewicht der Gewinn von Unternehmen steht? Welche Akteure der Politik stehen außerhalb des Lobbyismus und vertreten nur die Interessen ihrer Wähler? Politik korrumpiert nicht nur, sie eine Einkommensquelle, wenn man die richtige Stelle verkommt. Wo ist schließlich der Streit um die Interessen des Volkes? Viele Gesellschaftskritiker hoben und heben hervor, dass partikulare Interessen als allgemein ausgegeben werden, ohne die Menschenrechte für jedes Glied der Gesellschaft zu berücksichtigen.

[…]

Welche Rolle spielen die Akteure der Politik, die nicht die auf Krieg orientierten staatlichen oder wirtschaftlichen Interessen vertreten? Die Friedensbewegung in den Ländern ist mal stärker, mal schwächer. Die Kampagne gegen den vietnamkrieg in den USA brachte letzten Endes den Erfolg. Der gewaltlose Widerstand in Indien führte zur Selbständigkeit. Doch erst Massenbewegungen, stimuliert durch immer neue Opfer, erreichen etwas.

Wie steht es mit dem Streit auf der politischen Bühne? Er wird geduldet, solang keine Staatsinteressen wirklich oder scheinbar verletzt werden. Damit wird der demokratische Schein gewahrt. Friedensakteure unterliegen jedoch der staatlichen und öffentlichen Ächtung, wenn sie der Staatspolitik entgegenwirken. Sie sind Restriktionen und Repressionen ausgesetzt.

[…]“ 

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin hat auf ihren Ehrenpräsidenten einen im Internet abrufbaren Nekrolog (Gerda Haßler) veröffentlicht: Nekrolog auf unseren Ehrenpräsidenten Herbert Hörz – Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. (leibnizsozietaet​.de)

Die Tageszeitung junge Welt hat durch Nina Hager und Gerhard Banse Zeilen des Gedenkens veröffentlicht (14. Juni).

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