Die israelische Armee hat am gestrigen Dienstag den großangelegten Angriff auf das Flüchtlingslager Dschenin weiter fortgesetzt. Die Hamas hat sich als Reaktion auf die Militäroperation zu einem Amokfahrer in Tel Aviv bekannt. Der Weltbund Demokratischer Jugend solidarisierte sich in einer Stellungnahme mit dem palästinensischen Volk.
Ramallah. Israel hat die größte militärische Operation im Westjordanland seit Jahrzenten am Dienstag fortgesetzt. 1.000 israelischen Soldaten, darunter Kampftruppen und Geheimdienstmitarbeiter, und etwa 150 gepanzerten Fahrzeugen wurden am Montag zusammengezogen. Der Ort Dschenin und das dazugehörige Flüchtlingslager wurden abgeriegelt. Anschließend begann das israelische Militär mit Luftangriffen und einem gleichzeitigen Angriff mit Bodentruppen. Palästinensische Widerstandsgruppen leisteten dem Sturm auf das Flüchtlingslager auch bewaffneten Widerstand.
Die Zahl der palästinensischen Todesopfer ist am Dienstag auf elf gestiegen. Zehn Palästinenser sind bei den Kämpfen in Dschenin gestorben, einer starb bei einer Hausdurchsuchung des israelischen Militärs in Ramallah. Außerdem wurden zahlreiche Palästinenserinnen und Palästinenser verletzt. Tausende wurden vertrieben. Der Palästinensische Rote Halbmond teilte mit, dass sie rund 500 Familien aus dem Flüchtlingslager evakuiert haben. Die israelische Armee stürmte am Dienstag auch das Regierungskrankenhaus Dschenin. Sie eröffneten im Krankenhaus das Feuer und verletzten drei Palästinenser, wie das palästinensische Gesundheitsministerium erklärte. Am Dienstagabend zeichnete sich schließlich ein Abzug des israelischen Militärs ab.
Journalistinnen und Journalisten unter Beschuss
Im Zuge der jüngsten Gewalteskalation durch das israelische Militär auf der besetzten Westbank wurden auch Journalistinnen und Journalisten einmal mehr zur Zielscheibe. Ein Video zeigt, wie aus einem Fahrzeug des israelischen Militärs auf eine Kamera eines Teams von Al Araby TV geschossen wird.
Jonathan Dagher, Leiter des Nahostreferats von Reporter ohne Grenzen, sagte, die Schießerei sei „nur ein weiterer Teil einer andauernden Situation“, in der das israelische Militär „absichtlich Journalisten vor Ort ins Visier nimmt, wenn sie über eine militärische Operation berichten“. Am Montag wurde Journalistinnen und Journalisten überhaupt verweigert. Dagher erinnert auch an die Ermordung der Al Jazeera Journalistin Shireen Abu Akleh im vergangenen Jahr.
„Israel hat wie jeder Staat das Recht sich gegen Terrorismus selbst zu verteidigen“
Das deutsche Außenministerium zeigte sich besorgt über das Aufflammen der Gewalt in der Region, betonte jedoch, dass „Israel wie jeder Staat das Recht hat sich gegen Terrorismus selbst zu verteidigen“. Es mahnte jedoch „Verhältnismäßigkeit“ ein.
Letztlich kommt die Reaktion des deutschen Außenministeriums auf den israelischen Terror und Willkür im besetzten Westjordanland einem Freibrief für die israelische Regierung gleich. Während militante palästinensische Gruppen schon seit vielen Jahren kaum noch zu einem organisierten, bewaffneten Widerstand gegen das Besatzungsregime in der Lage sind, geht das israelische Militär daran, die Okkupation immer weiter zu befestigen, Palästinenserinnen und Palästinenser zu töten, zu inhaftieren und zu vertreiben. Begründet wird diese Politik mit chauvinistischen und nationalistischen Phrasen und einem angeblichen Kampf gegen palästinensische Terrorgruppen.
Abgesehen von kleineren Gefechten des palästinensischen Widerstands mit dem israelischen Militär, bei denen keine einzige israelische Soldatin und ein einziger Soldat verletzt oder getötet wurden, blieb die einzige Reaktion ein Amokfahrer in Tel Aviv der acht Menschen verletzte und von einem Zivilisten erschossen wurde. Die Hamas bekannte sich zu dem Attentat.
WBDJ ist solidarisch
Der Weltbund demokratischer Jugend verurteilt den Angriff auf Dschenin, der „dem Willen, die Besatzung, die ethnische Säuberung und die physische Liquidierung der palästinensischen Jugend und des palästinensischen Volkes weiter auszuweiten“, entspringt. Der WBDJ kritisiert die Angriffe des israelischen Militärs auf medizinische Einrichtungen ebenso, wie die fortgesetzte Unterstützung Israels durch die USA, die NATO und die EU. Abschließend ruft die Jugend zu „Aktionen, Proteste und Demonstrationen in Solidarität mit dem Kampf der palästinensischen Jugend und des palästinensischen Volkes gegen die zionistische Besatzung und die derzeitige Brutalität im Lager Dschenin“ auf.
Die ständige Vertretung des Staates Palästina in Wien schrieb in einer Aussendung, dass „Dschenin und das nördliche Westjordanland im Allgemeinen stark von israelischen Siedlungen betroffen“ sind, „deren BewohnerInnen zu den fanatischsten SiedlerInnen zählen“. Die Botschaft macht darauf aufmerksam, dass dem jetzigen Überfall eine Reihe von Pogromen im gesamten Westjordanland vorausgegangen sind. Das israelische Militär und die israelische Regierung haben diese Pogrome nicht nur nicht verhindert, sondern durch ihre Handlungen unterstützt. „Israels großangelegte Invasion der Stadt Jenin auf israelisch besetztem Gebiet mit all seinen entsetzlichen Konsequenzen für die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt bricht internationales Recht.“, so Botschafter Salah Abdel Shafi. „Die internationale Staatengemeinschaft zieht jedoch nach wie vor keine Konsequenzen. Es ist das Ergebnis ihrer Politik, die die israelischen Besatzer regelrecht dazu ermutigen, weiterhin jenseits des Völkerrechts zu agieren.“
Quellen: AJ/WBDJ/Palästinensische Botschaft