Die US-Regierung beruft sich auf Sicherheitsrisiken – Entwickler und Aktivisten sprechen von einem Angriff auf die Meinungsfreiheit
Apple und Google haben den Download mehrerer Handy-Apps blockiert, die die Bewegungen von US-Einwanderungsbehörden (ICE) in Echtzeit melden. Der Schritt erfolgte nur wenige Stunden, nachdem die Trump-Regierung die Entfernung einer besonders populären iPhone-App gefordert hatte.
US-Justizministerin Pam Bondi erklärte, solche Anwendungen gefährdeten die Sicherheit von Beamten des Immigration and Customs Enforcement (ICE). Entwickler und Nutzer der Apps berufen sich hingegen auf ihr verfassungsmäßiges Recht, die Aktivitäten der Behörden zu dokumentieren und ihre Gemeinschaften zu schützen.
ICEBlock im Fokus: Apple handelt nach Regierungsforderung
Im Zentrum steht die App ICEBlock, die laut Apple die meistgenutzte ICE-Tracking-Anwendung im App Store war. Bondis Büro wandte sich am Donnerstag direkt an Apple und verlangte die Entfernung der App. In einer E‑Mail an den Entwickler Joshua Aaron teilte Apple kurz darauf mit, der Download werde blockiert.
Begründet wurde dies mit neuen Informationen von Strafverfolgungsbehörden, denen zufolge ICEBlock gegen die Richtlinien des App Stores verstoße. In der Mail hieß es, die App diene dem Zweck, Standortinformationen über Polizeibeamte bereitzustellen, die genutzt werden könnten, um diese individuell oder als Gruppe zu schädigen.
Google folgte dem Schritt und entfernte ebenfalls mehrere ähnliche Anwendungen von seinen Android-Plattformen. Beide Unternehmen beriefen sich auf Sicherheitsbedenken, die von Strafverfolgungsbehörden vorgebracht worden waren.
Entwickler und Bürgerrechtsorganisationen kritisieren Entscheidung scharf
Joshua Aaron, der ICEBlock im April gestartet hatte, warf Apple vor, sich einer „autoritären Regierung“ zu beugen. Die App hatte laut Aaron über eine Million Nutzer und diente dazu, Einwanderergemeinschaften vor unangekündigten Razzien oder möglicher Schikane zu warnen.
Kica Matos, Präsidentin des National Immigration Law Center, bezeichnete die Entfernung als „beunruhigendes Beispiel dafür, wie Tech-Unternehmen vor Trump einknicken“. Die Apps seien eine „Lebensader für Gemeinschaften, die in Angst vor dem Auseinanderreißen ihrer Familien leben“.
Auch die Bürgerrechtsanwältin Alejandra Caraballo von der Harvard University warnte vor einem gefährlichen Präzedenzfall: Die Regierung könne damit faktisch bestimmen, welche Apps Menschen auf ihren Handys haben dürfen. Sie verwies auf ähnliche Vorgehensweisen autoritärer Staaten, etwa Chinas Druck auf Apple 2019, eine Protest-App in Hongkong zu entfernen.
Sicherheitsargumente der Regierung nach Anschlag in Dallas
Die Kritik der Regierung an den Apps verschärfte sich nach einem Schusswaffenangriff auf eine ICE-Einrichtung in Dallas im Vormonat. Laut FBI-Direktor Kash Patel hatte der Täter nach ICE-Tracking-Apps gesucht. Ob er tatsächlich eine dieser Apps nutzte oder ob sie eine Rolle bei dem Angriff spielte, blieb unklar.
Pam Bondi hatte bereits im Sommer vor Apps gewarnt, die Informationen über den Aufenthaltsort von Strafverfolgungsbeamten verbreiten, und Joshua Aaron persönlich ins Visier genommen. „Wir beobachten ihn, und er sollte sich in Acht nehmen, denn das ist keine geschützte Rede“, sagte sie im Juli bei Fox News.
Aaron wies die Vorwürfe zurück. Die App funktioniere nur, wenn andere Nutzer ICE-Aktivitäten im Umkreis von acht Kilometern melden. „Man braucht keine App, um zu wissen, dass ICE-Agenten in einer Hafteinrichtung sind“, sagte er. Die App sei vergleichbar mit Navigationsdiensten wie Waze oder Google Maps, bei denen Nutzer Radarfallen melden könne
Breite Nutzung trotz Risiken – Plattformen setzen sich juristisch zur Wehr
Neben ICEBlock nutzen viele Menschen auch andere digitale Kanäle, um ICE-Aktivitäten zu verfolgen. Der Aktivist Sherman Austin gründete im Februar das Netzwerk Stop ICE Raids Alert Network, auch bekannt als StopICE.Net. Die Plattform setzt auf Crowdsourcing und Textnachrichten, ohne dass eine App heruntergeladen werden muss, und erreichte nach eigenen Angaben mehr als 500.000 Abonnenten.
Austin berichtete von wachsender Angst in betroffenen Gemeinden. Menschen wollten wissen, was in ihrer Nachbarschaft geschieht, da sie zunehmend Fälle von Racial Profiling und gewaltsamen Festnahmen erlebten.
StopICE.Net kritisierte die Regierung ebenfalls scharf. Das Netzwerk erfuhr im vergangenen Monat, dass das Department of Homeland Security (DHS) den Meta-Konzern per Vorladung zur Herausgabe von Daten über den Instagram-Account der Plattform zwang. StopICE.Net legte sofort Widerspruch ein, und die Vorladung wurde vorübergehend ausgesetzt.
Das DHS verwies gegenüber der Nachrichtenagentur AP auf eine Stellungnahme von Tricia McLaughlin, stellvertretende Ministerin, die ICE-Tracking-Apps als Gefahr für Strafverfolgungsbeamte bezeichnete und Medien dafür kritisierte, Apples Entscheidung als Einknicken darzustellen.
Aktivisten sehen Angriff auf Informationsfreiheit
Entwickler und Aktivisten sehen in den App-Entfernungen und staatlichen Drohungen einen Angriff auf die Meinungs- und Informationsfreiheit. „Wir stehen einem Regime gegenüber, das tut, was es will – und jeden bedroht, den es will, um Informationen und Narrative zu kontrollieren“, sagte Austin. „Wir müssen das herausfordern und mit allen Mitteln bekämpfen.“
Quelle: AP