Die USA führen Regie bei der Eskalation in Weißrussland, Nehammer wird plötzlich zum Fluchthelfer und die SPÖ ist von allen guten Geistern verlassen.
Tokio/Wien/Washington. Ende Juli besuchte die Gallionsfigur der belarussischen Exilopposition, die gescheiterte Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja, die US-amerikanische Hauptstadt Washington. An den Treffen mit Tichanowskaja hatten die stellvertretende US-Staatssekretärin zu Sachen der Politik, Victoria Nuland, der Berater des US-Außenministeriums Derek Chollet, US-Außenminister Antony Blinken sowie der Assistent der US-Präsidenten zur nationalen Sicherheit, Jake Sullivan, teilgenommen. Auf US-amerikanischer Seite ist das ein Aufgebot, das sonst nur sehr wichtigen Staatsgästen geboten wird. Die einfache Bürgerin Tichanowskaja ist nicht so wichtig, auch wie es der Bevölkerung des kleinen Weißrussland geht, ist der US-Adminstration wohl ziemlich egal. Es geht um etwas anderes: Die Bedeutung von Frau Tichanowskaja besteht darin, dass sie eine entscheidende Figur eines „regime change“ in Minsk sein könnte, und das wiederum bedeutet, dass ein weiteres – strategisch wichtiges – Land zum Aufmarschgebiet der NATO an Russlands Grenze werden könnte. Die baltischen Länder und Polen musste man nicht davon überzeugen, sich dafür zur Verfügung zu stellen, in der Ukraine war man immerhin auf eine „Farbenrevolution“ und die Hilfe neofaschistischer Kräfte angewiesen.
Moskau zahlt allerdings im Fall von Lukaschenko einen hohen Preis, und muss das autokratische System des Langzeitpräsidenten mit stets neuen Unterstützungsleistungen und Krediten am Leben halten. Auch Wladimir Putin wird längst wissen, dass ein „weiter so“ nicht funktionieren wird. Die Frage ist, ob es in der „Opposition“ auch Kräfte gibt, die keine Marionetten des Westens sind. Im Exil sieht man solche bisher nicht, vielleicht gibt es solche in den Gewerkschaften. Denn der hohe Anteil an Staatsbesitz in der Industrie ist das Begehr der westlichen Konzerne.
Absprachen mit USA, Kopfgeld auf Lukaschenko ausgesetzt
„Im Falle, dass irgendein Land die Schwäche des Regimes [des amtierenden weißrussischen Präsidenten Lukaschenko] ausnutzt, werden die USA auf unserer Seite [der Seite der weißrussischen Opposition] stehen“ sagte Tichanowskaja in Washington nach den Unterredungen mit der US-Administration, was man als ziemlich unverhohlenen Aufruf zu einer militärischen Intervention verstehen kann. Jedenfalls aber als Startschuss einer neuen Eskalation. Zwei weitere, in Wien weilende Anführer der Exilopposition sprachen diesbezüglich Klartext: Auf die Verhaftung von Lukaschenko ist ein Kopfgeld ausgesetzt, und es gibt Vorbereitungen für einen „Tag des Sieges“, an dem man die Machtübernahme plant.
„Ich fahre ab mit der Zuversicht, dass all das, was wir mit Bidens Beratern, mit seinen Vertretern besprachen, eingehalten wird“, tönte Swetlana Tichanowskaja bei ihrer Abreise aus Washington.
Schmierenkomödie um Athletin, auch „Junge Welt“ dabei
In diesem Licht sollte die Schmierenkomödie um die Leichtathletin Kristina Timanowskaja betrachtet werden, die sich – als Flüchtling erster Klasse – sogar das EU-Land aussuchen durfte, in dem sie Asyl erhält. Die Show, die hier in Tokio abgezogen wurde, ist wohl schon Teil dessen, was mit Bidens Beratern besprochen wurde, ob allerdings ein Land blöd genug sein wird, die Invasion ausländischer militärischer Kräfte in Belarus tatsächlich umzusetzen, darf bezweifelt werden.
Dass auf das Theater um Timanowskaja auch linke Medien hereinfallen, beweist die Berliner Tageszeitung „Junge Welt“. Mit unkritischer Wiedergabe der westlichen Propaganda wird ein Interview mit einer „Expertin“ abgehalten, so dass der einstige Aussenpolitik-Chef Werner Pirker im Grab rotieren würde, könnte er das lesen.
Fluchthelfer Nehammer
In Österreich durfte sich sogar Innenminister Karl Nehammer als Fluchthelfer betätigen, und verkünden, dass Frau Timaowskaja während ihres vierstündigen Aufenthaltes in Wien-Schwechat von der Polizei „beschützt“ wurde.
Es ist derselbe Innenminister Nehammer, der sich durch die Abschiebung von Menschen in Bürgerkriegsländer profiliert. Und die Geschichte mit der Abschiebung angeblich Krimineller ist auch nichts anderes, als zynische Propaganda: Ein Mensch, der eine Dose Thunfisch stiehlt, weil er hungrig ist und kein Geld hat, wird hier auf eine Stufe mit IS-Verbrechern gestellt. Die Grünen halten sowieso still, wie immer. Aber sie waren für die sofortige Aufnahme der Athletin aus Belarus. Kostet ja nichts, für solche PR-Shows ist die ÖVP immer zu haben.
SPÖ wirft Regierung vor, Balkanroute nicht geschlossen zu haben
Die SPÖ übrigens wirft der Regierung vor, die Balkanroute nicht geschlossen zu haben, obwohl Nehammer „Flüchtlinge schon am Balkan abschieben“ und sie erst gar nicht in die EU lassen möchte. Welche Existenzberechtigung diese Partei noch hat, außer der Versorgung der eigenen Parteigänger, kann sie selbst immer schwerer erklären.
Quellen: de.rt.com/Junge Welt/FB/FB/OTS/derstandard.at