München. Die unsägliche Praxis im deutschen Bayern, angehenden Beschäftigten im öffentlichen Dienst – insbesondere Lehrkräften – aufgrund angeblich „extremistischer“ Überzeugungen den Berufseintritt zu verwehren, ist um ein Kapitel reicher. Der jüngste Fall betrifft die 28-jährige Lisa P.*, eine Klimaaktivistin, der das bayerische Kultusministerium den Eintritt ins Referendariat untersagt. Damit kommt dies einem Berufsverbot gleich, das an den sogenannten Radikalenerlass von 1972 erinnert – eine Praxis, die im deutschen Freistaat bis heute fortbesteht.
Lisa P., die unter anderem im vergangenen Jahr eine große Anti-AfD-Demonstration in München mitorganisiert hatte, wird vom Ministerium vorgeworfen, Mitglied in einer „extremistischen Organisation“ zu sein – konkret im „Offenen Antikapitalistischen Klimatreffen München“. Diese Gruppe betrachte die Klimafrage als eine Klassenfrage, verbindet sie mit sozialen Themen und geht damit über gängige Forderungen rein ökologischer Ausrichtung hinaus.
Besonders perfide: Im Bescheid des Kultusministeriums wird explizit kritisiert, dass P. den Begriff „Profitmaximierung“ in Interviews verwendet habe. Dieser sei, so die Argumentation, „kommunistischer Ideologie“ zuzuordnen und somit mit der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ unvereinbar. E
P. selbst sieht sich als Marxistin, betont aber zugleich, sie sei klar eine Verfechterin der Grundrechte sowohl im Grundgesetz als auch in der Bayerischen Verfassung. Zudem räumt sie ein, dass die deutsche Verfassung keine eindeutige Festlegung auf eine bestimmte Wirtschaftsordnung kennt – ein Argument, das bereits vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Auf dem Kurznachrichtendienst X verurteilt sie, dass nun auch Klimaaktive ins Visier staatlicher Repression geraten, und kündigt an, gegen die Entscheidung des Ministeriums zu klagen.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet in diesem Zusammenhang zudem von zwei anhängigen Ermittlungsverfahren gegen P., die sich aus Protestaktionen in Lützerath ergeben haben. Dabei wird ihr unter anderem Widerstand und tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen; hinzu kommt der Vorwurf der Sachbeschädigung an AfD-Wahlplakaten, die sie als „klar antisemitische Bildsprache“ bezeichnet haben will.
Der jetzige Beschluss des bayerischen Kultusministeriums knüpft an den in den 1970er-Jahren eingeführten Radikalenerlass an. Zwar ist diese Praxis in den meisten Bundesländern mittlerweile formell abgeschafft oder deutlich abgeschwächt, doch in Bayern müssen Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst weiterhin einen zwölfseitigen Fragebogen ausfüllen. Darin wird unter anderem abgefragt, ob sie „verfassungsfeindliche“ Organisationen unterstützen oder ob sie für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR tätig waren. Auf diese Weise sichert sich der Freistaat bis heute die Möglichkeit, politisch missliebige Personen fernzuhalten – häufig sind es Menschen mit marxistischer oder antifaschistischer Orientierung, die im Visier stehen.
Die bayerische Regierung argumentiert, mit diesen Maßnahmen Verfassungsfeindlichkeit und Extremismus bekämpfen zu wollen. Vor allem sind antifaschistische und linke Personen von der staatlichen Repression betroffen, während die Verknüpfung rechter Akteure zum Verfassungsschutz vergleichsweise selten zu ähnlichen Konsequenzen führt. Tatsächlich erscheint es paradox, dass Personen, die sich offensiv gegen rechtsextreme Umtriebe engagieren, in Bayern selbst zum Ziel staatlicher Repression werden.
Der Fall P. legt offen, wie schmal die Grenze zwischen Gesinnungstest und politischer Verfolgung ist, wenn Begriffe wie Profitmaximierung oder Marxismus als Indizien für „Gefährdung der freiheitlichen Ordnung“ herhalten müssen. Für die Betroffene selbst geht es aber auch ganz konkret um ihre berufliche Existenz.
* Name der Redaktion bekannt.
Quelle: junge Welt