Die Europäische Union treibt ihre Pläne zur Nutzung eingefrorener russischer Staatsvermögen weiter voran – und verschärft damit nicht nur die innenpolitischen Spannungen innerhalb der EU, sondern auch die Konfrontation mit Moskau. Während die EU-Kommission das Vorgehen als rechtlich gedeckt darstellt, warnen renommierte Völkerrechtsexperten vor einem gravierenden Bruch internationaler Rechtsgrundsätze und vor langfristigen geopolitischen Folgen.
Konkret geht es um rund 210 Milliarden Euro an Vermögenswerten der russischen Zentralbank, die seit Beginn des Ukraine-Krieges in der EU eingefroren sind, ein Großteil davon beim belgischen Finanzdienstleister Euroclear. Diese Mittel sollen künftig als Sicherheit für umfangreiche Kredite an die Ukraine dienen, die unter anderem für militärische Zwecke eingesetzt werden könnten. Eine Rückzahlung wäre erst vorgesehen, wenn Russland Reparationen leistet.
Völkerrechtliche Bedenken
Scharfe Kritik kommt aus dem Lager des internationalen Rechts. Der Londoner Völkerrechtler Robert Volterra, der Regierungen und internationale Organisationen berät, bezeichnet die Pläne als „absolut illegal“. Die Beschlagnahmung oder faktische Enteignung souveräner Staatsvermögen eines anderen Landes verstoße fundamental gegen das Völkerrecht und die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Ein solcher Schritt sei, so Volterra, in seiner Schwere mit einer militärischen Besetzung fremden Staatsgebiets vergleichbar.
Zwar betont die EU, es gehe zunächst nur um Sicherheiten und nicht um eine direkte Enteignung. Doch auch hier sieht der Jurist erhebliche Risiken: Entweder handle es sich um einen echten Zugriff auf russisches Staatsvermögen – was vor internationalen Gerichten kaum Bestand hätte – oder um eine rechtliche Konstruktion ohne Substanz, die primär politischen Druck ausüben solle. In beiden Fällen stehe die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Spiel.
Besonders heikel ist aus Sicht von Experten der mögliche Präzedenzfall. Sollten Staaten beginnen, eingefrorene Vermögenswerte anderer Länder politisch zu verwerten, könnte dies weltweit Nachahmer finden – auch zulasten europäischer Staaten.
Umgehung des Vetorechts
Politisch sorgt vor allem die gewählte Vorgehensweise für Unruhe. Die EU griff auf Artikel 122 des EU-Vertrags zurück, der in wirtschaftlichen Notlagen Mehrheitsentscheidungen erlaubt, um das Vetorecht einzelner Staaten auszuschalten. Ungarn und die Slowakei stimmten dagegen, Italien, Belgien, Malta und Bulgarien äußerten erhebliche Vorbehalte. Ungarn kündigte bereits eine mögliche Klage vor dem Europäischen Gerichtshof an.
Italien machte zudem deutlich, dass die Zustimmung zu Notstandsregelungen keine Billigung einer Enteignung bedeute. Als Alternative bringen mehrere Staaten gemeinsame EU-Anleihen ins Spiel – was die finanziellen Lasten stärker auf wirtschaftlich potente Länder wie Deutschland verlagern würde.
Österreich zwischen Haftungsrisiko und politischer Loyalität
In Österreich stößt der Plan auf verhaltene Zustimmung. Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) bezeichnete ein Reparationsdarlehen als „beste derzeit mögliche Lösung“, räumte jedoch ein, dass für Österreich ein Haftungsrisiko von bis zu vier Milliarden Euro entstehen könnte. Eine offene Debatte über die völkerrechtlichen Risiken findet bislang nur am Rande statt.
Die Haltung Marterbauers und der österreichischen Bundesregierung steht exemplarisch dafür, wie die österreichische Neutralität von allen Regierungen zunehmend demontiert und entsorgt wird während man sich an Feiertagen feierlich auf die Neutralität bezieht. Die bürgerlichen Parteien versuchen auch Österreich zunehmend auf Kriegskurs zu bringen.
Eskalation mit Russland
Aus Moskau kommen scharfe Reaktionen. Die russische Zentralbank hat bereits Klage gegen Euroclear eingebracht, Präsident Wladimir Putin sprach von „Diebstahl“. Der Kreml kündigte an, auf solche Schritte nicht untätig zu bleiben. Parallel verschärft sich der politische Ton zwischen Russland und dem Westen insgesamt: NATO-Generalsekretär Mark Rutte warnte zuletzt offen vor einem möglichen großen Krieg mit Russland, europäische Regierungen verweisen auf mutmaßliche Sabotage- und Cyberangriffe.
Vor diesem Hintergrund werten Beobachter die EU-Entscheidung als weiteren Eskalationsschritt – nicht militärisch, aber wirtschaftlich und rechtlich. Die zeitlich unbegrenzte Verlängerung des Einfrierens russischer Vermögenswerte unterstreicht diesen Kurs.
Quelle: Berliner Zeitung/ORF/jW/902.gr





















































































